Traditionell werden Zufallsstichprobenerhebungen so geplant, dass nationale Statistiken zuverlässig mit einer adäquaten Präzision geschätzt werden können. Hierbei kommen vorrangig designbasierte, Modell-unterstützte (engl. model assisted) Schätzmethoden zur Anwendung, die überwiegend auf asymptotischen Eigenschaften beruhen. Für kleinere Stichprobenumfänge, wie man sie für Small Areas (Domains bzw. Subpopulationen) antrifft, eignen sich diese Schätzmethoden eher nicht, weswegen für diese Anwendung spezielle modellbasierte Small Area-Schätzverfahren entwickelt wurden. Letztere können zwar Verzerrungen aufweisen, besitzen jedoch häufig einen kleineren mittleren quadratischen Fehler der Schätzung als dies für designbasierte Schätzer der Fall ist. Den Modell-unterstützten und modellbasierten Methoden ist gemeinsam, dass sie auf statistischen Modellen beruhen; allerdings in unterschiedlichem Ausmass. Modell-unterstützte Verfahren sind in der Regel so konstruiert, dass der Beitrag des Modells bei sehr grossen Stichprobenumfängen gering ist (bei einer Grenzwertbetrachtung sogar wegfällt). Bei modellbasierten Methoden nimmt das Modell immer eine tragende Rolle ein, unabhängig vom Stichprobenumfang. Diese Überlegungen veranschaulichen, dass das unterstellte Modell, präziser formuliert, die Güte der Modellierung für die Qualität der Small Area-Statistik von massgeblicher Bedeutung ist. Wenn es nicht gelingt, die empirischen Daten durch ein passendes Modell zu beschreiben und mit den entsprechenden Methoden zu schätzen, dann können massive Verzerrungen und / oder ineffiziente Schätzungen resultieren.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der zentralen Frage der Robustheit von Small Area-Schätzverfahren. Als robust werden statistische Methoden dann bezeichnet, wenn sie eine beschränkte Einflussfunktion und einen möglichst hohen Bruchpunkt haben. Vereinfacht gesprochen zeichnen sich robuste Verfahren dadurch aus, dass sie nur unwesentlich durch Ausreisser und andere Anomalien in den Daten beeinflusst werden. Die Untersuchung zur Robustheit konzentriert sich auf die folgenden Modelle bzw. Schätzmethoden:
i) modellbasierte Schätzer für das Fay-Herriot-Modell (Fay und Herrot, 1979, J. Amer. Statist. Assoc.) und das elementare Unit-Level-Modell (vgl. Battese et al., 1988, J. Amer. Statist. Assoc.).
ii) direkte, Modell-unterstützte Schätzer unter der Annahme eines linearen Regressionsmodells.
Das Unit-Level-Modell zur Mittelwertschätzung beruht auf einem linearen gemischten Gauss'schen Modell (engl. mixed linear model, MLM) mit blockdiagonaler Kovarianzmatrix. Im Gegensatz zu bspw. einem multiplen linearen Regressionsmodell, besitzen MLM-Modelle keine nennenswerten Invarianzeigenschaften, so dass eine Kontamination der abhängigen Variablen unvermeidbar zu verzerrten Parameterschätzungen führt. Für die Maximum-Likelihood-Methode kann die resultierende Verzerrung nahezu beliebig groß werden. Aus diesem Grund haben Richardson und Welsh (1995, Biometrics) die robusten Schätzmethoden RML 1 und RML 2 entwickelt, die bei kontaminierten Daten nur eine geringe Verzerrung aufweisen und wesentlich effizienter sind als die Maximum-Likelihood-Methode. Eine Abwandlung von Methode RML 2 wurde Sinha und Rao (2009, Canad. J. Statist.) für die robuste Schätzung von Unit-Level-Modellen vorgeschlagen. Allerdings erweisen sich die gebräuchlichen numerischen Verfahren zur Berechnung der RML-2-Methode (dies gilt auch für den Vorschlag von Sinha und Rao) als notorisch unzuverlässig. In dieser Arbeit werden zuerst die Konvergenzprobleme der bestehenden Verfahren erörtert und anschließend ein numerisches Verfahren vorgeschlagen, das sich durch wesentlich bessere numerische Eigenschaften auszeichnet. Schließlich wird das vorgeschlagene Schätzverfahren im Rahmen einer Simulationsstudie untersucht und anhand eines empirischen Beispiels zur Schätzung von oberirdischer Biomasse in norwegischen Kommunen illustriert.
Das Modell von Fay-Herriot kann als Spezialfall eines MLM mit blockdiagonaler Kovarianzmatrix aufgefasst werden, obwohl die Varianzen des Zufallseffekts für die Small Areas nicht geschätzt werden müssen, sondern als bereits bekannte Größen betrachtet werden. Diese Eigenschaft kann man sich nun zunutze machen, um die von Sinha und Rao (2009) vorgeschlagene Robustifizierung des Unit-Level-Modells direkt auf das Fay-Herriot Model zu übertragen. In der vorliegenden Arbeit wird jedoch ein alternativer Vorschlag erarbeitet, der von der folgenden Beobachtung ausgeht: Fay und Herriot (1979) haben ihr Modell als Verallgemeinerung des James-Stein-Schätzers motiviert, wobei sie sich einen empirischen Bayes-Ansatz zunutze machen. Wir greifen diese Motivation des Problems auf und formulieren ein analoges robustes Bayes'sches Verfahren. Wählt man nun in der robusten Bayes'schen Problemformulierung die ungünstigste Verteilung (engl. least favorable distribution) von Huber (1964, Ann. Math. Statist.) als A-priori-Verteilung für die Lokationswerte der Small Areas, dann resultiert als Bayes-Schätzer [=Schätzer mit dem kleinsten Bayes-Risk] die Limited-Translation-Rule (LTR) von Efron und Morris (1971, J. Amer. Statist. Assoc.). Im Kontext der frequentistischen Statistik kann die Limited-Translation-Rule nicht verwendet werden, weil sie (als Bayes-Schätzer) auf unbekannten Parametern beruht. Die unbekannten Parameter können jedoch nach dem empirischen Bayes-Ansatz an der Randverteilung der abhängigen Variablen geschätzt werden. Hierbei gilt es zu beachten (und dies wurde in der Literatur vernachlässigt), dass die Randverteilung unter der ungünstigsten A-priori-Verteilung nicht einer Normalverteilung entspricht, sondern durch die ungünstigste Verteilung nach Huber (1964) beschrieben wird. Es ist nun nicht weiter erstaunlich, dass es sich bei den Maximum-Likelihood-Schätzern von Regressionskoeffizienten und Modellvarianz unter der Randverteilung um M-Schätzer mit der Huber'schen psi-Funktion handelt.
Unsere theoriegeleitete Herleitung von robusten Schätzern zum Fay-Herriot-Modell zeigt auf, dass bei kontaminierten Daten die geschätzte LTR (mit Parameterschätzungen nach der M-Schätzmethodik) optimal ist und, dass die LTR ein integraler Bestandteil der Schätzmethodik ist (und nicht als ``Zusatz'' o.Ä. zu betrachten ist, wie dies andernorts getan wird). Die vorgeschlagenen M-Schätzer sind robust bei Vorliegen von atypischen Small Areas (Ausreissern), wie dies auch die Simulations- und Fallstudien zeigen. Um auch Robustheit bei Vorkommen von einflussreichen Beobachtungen in den unabhängigen Variablen zu erzielen, wurden verallgemeinerte M-Schätzer (engl. generalized M-estimator) für das Fay-Herriot-Modell entwickelt.
This dissertation deals with consistent estimates in household surveys. Household surveys are often drawn via cluster sampling, with households sampled at the first stage and persons selected at the second stage. The collected data provide information for estimation at both the person and the household level. However, consistent estimates are desirable in the sense that the estimated household-level totals should coincide with the estimated totals obtained at the person-level. Current practice in statistical offices is to use integrated weighting. In this approach consistent estimates are guaranteed by equal weights for all persons within a household and the household itself. However, due to the forced equality of weights, the individual patterns of persons are lost and the heterogeneity within households is not taken into account. In order to avoid the negative consequences of integrated weighting, we propose alternative weighting methods in the first part of this dissertation that ensure both consistent estimates and individual person weights within a household. The underlying idea is to limit the consistency conditions to variables that emerge in both the personal and household data sets. These common variables are included in the person- and household-level estimator as additional auxiliary variables. This achieves consistency more directly and only for the relevant variables, rather than indirectly by forcing equal weights on all persons within a household. Further decisive advantages of the proposed alternative weighting methods are that original individual rather than the constructed aggregated auxiliaries are utilized and that the variable selection process is more flexible because different auxiliary variables can be incorporated in the person-level estimator than in the household-level estimator.
In the second part of this dissertation, the variances of a person-level GREG estimator and an integrated estimator are compared in order to quantify the effects of the consistency requirements in the integrated weighting approach. One of the challenges is that the estimators to be compared are of different dimensions. The proposed solution is to decompose the variance of the integrated estimator into the variance of a reduced GREG estimator, whose underlying model is of the same dimensions as the person-level GREG estimator, and add a constructed term that captures the effects disregarded by the reduced model. Subsequently, further fields of application for the derived decomposition are proposed such as the variable selection process in the field of econometrics or survey statistics.