300 Sozialwissenschaften
Die Bezeichnung "Sozialpädagogik" steht heute nicht nur für eine Vielfalt an professionellen Praktiken, die es in unterschiedlicher Weise mit Personenveränderung zu tun haben, sondern auch für einen akademisch institutionalisierten Kommunikationszusammenhang, der sich über ein heterogenes und diskontinuierliches Spektrum an Themen, Wissensbeständen und Forschungsaufgaben definiert. Die wissenschaftliche Diskussion um die So-zialpädagogik ist vor diesem Hintergrund seit einigen Jahren deutlich geprägt von der Erfahrung, dass eine umfassende Theorie ihres Gegenstandsbereichs nicht mehr möglich sei. Die Dissertation verortet sich in dieser Diskussion, begreift jedoch die Frage nach der Möglichkeit einer Theorie der Sozialpädagogik nicht als ein Problem des Gegenstandes, sondern als ein Problem seiner Beobachtung. Dabei geht es jedoch keineswegs nur um eine Kritik der Voraussetzungen sozialpädagogischer Erkenntnis, vielmehr wird zugleich ein neuartiger Weg innerhalb der sozialpädagogischen Theoriediskussion eingeschla-gen: Eine Theorie der "Sozialpädagogik" kann nur als eine nicht-sozialpädagogische Theorie formuliert werden. Die daran anschließende methodologische Auseinandersetzung rückt einen theoretisch informierten Modus der Beobachtung ins Zentrum, der seine postontologische Lektion bereits gelernt hat und gerade unter Verzicht auf Vorstellungen von der je besonderen Bestimmtheit seines Objektes objekttheoretische Aussagen anstrebt: Pierre Bourdieus Theorie der Felder.
Die Arbeit geht von der These aus, dass zwischen Webers Konzept einer verstehenden Soziologie und der materialen Studie "Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus" (PE) eine Differenz in Form einer Mehrleistung auf Seiten der PE besteht. Diese Annahme fußt auf der Beobachtung, dass die PE verschiedene Perspektiven auf die Entstehung sinnhafter Handlungsorientierungen offeriert und sich gleichsam Strategien zu deren Plausibilisierung identifizieren lassen. Derartige Zusammenhänge wurden von Weber in den methodologischen Schriften scheinbar nur am Rande thematisiert und die entsprechenden Passagen erwecken den Eindruck, dass die Frage nach der Geschichtlichkeit der sinnhaften Handlungsorientierungen lediglich als Prämisse bzw. als Begründung für die Notwendigkeit einer verstehenden Sinnerfassung Beachtung findet. Diese Beobachtung bestimmt den weiteren Gang der Untersuchung und führte zu einem argumentativen Aufbau, welcher sich als Dreischritt beschreiben lässt: a) Eine Diskussion des Erklärungsprofils von Webers Konzept einer verstehenden Soziologie sowie Beispiele für vermutete Mehrleistungen auf Seiten der PE dienen zunächst der genaueren Explikation der identifizierten Problemstellung (vgl. Abschnitt I). Hierauf aufbauend erweisen sich mit Blick auf den aktuellen Forschungsstand b) jene Argumentationszusammenhänge der materialen Forschung als problematisch bzw. in ihrer logischen Beziehung zur Methodologie Webers als weiterhin ungeklärt, welche in Abschnitt I zunächst auf eine Mehrleistung auf Seiten der PE hindeuten. Hierbei zeigt eine gegenüberstellende Untersuchung von Vertretern von Einheitsthesen (vgl. Prewo 1979, Schluchter 1998, Collins 1986a) sowie Vertretern von Differenzthesen (vgl. v. Schelting 1934, Bendix 1964, Kalberg 2001), dass der aktuelle Diskussionsstand weiterhin durch offene Fragen und Unstimmigkeiten charakterisiert ist (vgl. Abschnitt II). Implizite Antworten auf diese Probleme des aktuellen Diskussionsstands lassen sich über c) einen erneuten rekonstruierenden Blick auf die in der PE enthaltenen Zusammenhänge und Plausibilisierungsstrategien gewinnen. Hier ist die Strategie doppelseitig angelegt: Für einen Teil der identifizierten Probleme ist es von besonderer Bedeutung, einen systematischen Einblick in die in der PE enthaltenen Zusammenhänge zu gewinnen (vgl. Abschnitt III). Die hierbei gewonnenen Erträge dienen als Grundlage zur adäquaten Rekonstruktion der methodischen Umsetzung und ermöglichen ein Verständnis davon, wie Weber die in den Fokus der Forschung gestellten Phänomene zu erklären suchte (vgl. Abschnitt IV).