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Religiosität der Gegenwart ist geprägt durch Vielfalt und Individualisierung. Wie kann man sie systematisch beschreiben? Was sind ihre Ausdrucksformen? Welche Lebensbedeutungen werden mit den verschiedenen Religiositäten verknüpft? Mit impliziter Religiosität wird ein weit gefasstes Religiositätskonstrukt vorgestellt, das verborgene Formen der Religiosität zu identifizieren vermag. Grundlage ist die Entwicklung einer interdisziplinären Theorie, die drei universalreligiöse Komponenten postuliert: Mythos, Rituale und Transzendierungserlebnisse. Die Komponenten werden mit Blick auf ihre Deutungsgeschichte, ihre Aktualität und psychologische Bedeutung dargestellt und als Ausdrucksformen von Sinnstiftung untersucht. Im Rahmen einer qualitativen Erhebung werden sie empirisch mit Inhalten und subjektiven Bedeutungen angereichert. Anhand der Inhalte erfolgt eine phänomenologische Darstellung impliziter Religiosität(en), deren Grundgerüst aus einer statistischen Datenanalyse abgeleitet wird. Die in der Erhebung identifizierten Lebensbedeutungen werden psychometrisch erfassbar gemacht und der resultierende Fragebogen zu Lebensbedeutungen (LeBe) ausführlich dargestellt. Er erlaubt die reliable und valide Erfassung einer breiten Palette von Lebensbedeutungen sowie der subjektiv erlebten Sinnerfüllung. Von besonderem Interesse sind nicht zuletzt die Beziehungen zwischen Sinnerfüllung, Lebensbedeutungen und Persönlichkeit. Ergebnisse einer Fragebogenstudie weisen darauf hin, dass Persönlichkeitseigenschaften nur moderat mit dem Ausmaß der Sinnerfüllung korrelieren, dass aber enge Zusammenhänge zu den verwirklichten Lebensbedeutungen bestehen. Das vorliegende Werk stellt theoretische wie auch praktische Ansätze vor, die eine systematische Erhellung der Religiosität der Gegenwart ermöglichen. Obwohl diese bisher vor allem als idiosynkratisch und beliebig angesehen wurde, kann gezeigt werden, dass auch neue Formen der Religiosität sich in Denk-, Verhaltens- und Erlebensmustern ausdrücken, die als typisch für traditionelle, explizite Religiosität gelten. Weit entfernt davon, reiner Modetrend zu sein, dient implizite Religiosität dem Ausleben und Ausdruck persönlich relevanter Lebensbedeutungen. Auch wenn Blickwinkel und Methodik des Buches vorwiegend psychologisch geprägt sind, können doch auch Leser mit soziologischem, theologischem oder kulturwissenschaftlichem Interesse von den Erkenntnissen profitieren.
Hintergrund: Etwa 75 bis 95% der Alkoholpatienten in deutschen Suchtrehabilitationskli-niken sind Raucher. Trotz der hohen Prävalenzraten und des hohen gesundheitlichen Risikos für Personen mit einer Komorbidität von Alkohol- und Tabakabhängigkeit, existiert in Europa bislang kaum Forschungsinteresse auf dem Gebiet der Tabakentwöhnung bei Alkoholpatienten. Bisherige Interventionen verzeichnen geringe Erfolge. Die Zuweisung von Patienten zu unterschiedlichen Interventionen könnte eine effektive Strategie darstel-len, um Tabakentwöhnungsinterventionen innerhalb dieses Settings zu verbessern. Ziel: Das Ziel der Studie bestand neben der Prozess- und Ergebnisevaluation zweier unter-schiedlicher Tabakentwöhnungsinterventionen im stationären Suchtrehabilitationssetting in der Erstellung empirisch gesicherter Allokationsstrategien zur Verbesserung der Effek-tivität diese Maßnahmen. Anhand der Matchingvariablen Tabakabhängigkeit, Depressivi-tät, Selbstwirksamkeitserwartung und Motivation sollte eine mögliche Zuweisung zu einer der beiden Interventionen überprüft werden. Methode: 512 alkoholabhängige Raucher aus 19 Suchtrehabilitationskliniken nahmen an der prospektiven Multicenter-Studie (WIRK: Wirksamkeit intensivierter Tabakentwöhnung in Kliniken) teil und wurden zwei unterschiedlichen Tabakentwöhnungsinterventionen - einer motivierenden (MT) und einer kognitiv-verhaltenstherapeutischen Intervention (KVT) - randomisiert zugewiesen. Beide Interventionen beinhalteten sechs Sitzungen. Die Teilnahme beruhte auf Freiwilligkeit. Die Katamneseerhebungen erfolgten direkt nach der Intervention (T1) sowie drei Monate spä-ter (T2). Ergebnisvariablen waren die Kriterien Konsumreduktion und Tabakabstinenz. Die Datenanalyse erfolgte mittels logistischer Regressionen. Ergebnisse: Es kann für beide Interventionen von einer guten Implementierung und Akzeptanz ausgegangen werden. Insgesamt erreichen beide Interventionen eine Abstinenzrate von 10% zu T1 bzw. 8,4% zu T2. Mittelfristig unterscheiden sich die beiden Interventionen nicht in der erreichten Abstinenz- und Reduktionsrate. Hinsichtlich der Allokation zeigt sich, dass Personen mit einem Fagerströmscore größer als zwei Punkten und mit geringer Zuversicht kurzfristig (T1) mehr durch eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Intervention reduzieren. Personen mit hoher sozialer Externalität zeigen sowohl zu T1 als auch zu T2 eine höhere Reduktion durch das KVT. Keinerlei Hinweise für eine Zuweisung von Rauchern zu einer der beiden Interventionen existiert für die Outcomevariable Tabakabstinenz. Diskussion: Als Gründe für die unbefriedigende Effektivität der Interventionen werden sowohl stichproben- sowie umweltspezifische Argumente angenommen. Als erfolgversprechende Strategie zur Ver-besserung der Effektivität bietet sich eine Optimierung der Tabakpolitik in Suchtrehabilita-tionskliniken an, indem der Tabakentwöhnung ein höherer Stellenwert eingeräumt wird. Trotz der geringen und inkonsistenten Matchingeffekte werden weitere Anstrengungen zur Überprüfung von Zuweisungsstrategien als sinnvoll und wichtig erachtet. Komplexere Mo-delle sollten dabei getestet werden. Zunächst jedoch erscheint es notwendig auf einer empirischen Basis zu überprüfen wie Interventionen wirken (Mediatoreffekte) bevor analy-siert werden kann, für wen diese wirksam sind (Moderatoreffekte). Förderung: Das Pro-jekt, in welchem die Arbeit entstand, wurde vom Bundesministerium für Bildung und For-schung gefördert (BMBF) (Fördernummer: 01EB 0141).
In Deutschland fallen bei der Wasseraufbereitung, der Verarbeitung von Gesteinen, Recyclingprozessen und in der Industrie etliche mineralische Zwangs-, Koppel-, Neben- oder Abfallprodukte an, die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe als Puffersubstanzen oder Nährstofflieferanten im Wald eingesetzt werden könnten. In diesem Projekt wurde die Wirksamkeit und Ökosystemverträglichkeit von Mischungen potentieller Sekundärrohstoffe in Gefäßversuchen, Lysimeterversuchen, Freilandversuchen, Perkolationsversuchen und Keim- und Wachstumsversuchen untersucht. Die Mischungen bestehen aus Enthärterkalk und Magnesitstaub. Eingesetzte Enthärterkalke waren zwei Reaktorkornvarianten und ein Enthärterschlamm, dem zur besseren Händelbarkeit und als Kaliumquelle Bimsmehl bzw. Perlitstaub beigemischt wurde. Zur Anregung der biologischen Aktivität mit Phosphor wurden zwei Enthärterschlammmischungen mit Tiermehlasche aus der Monoverbrennung von Tierkörpermehl versetzt. Als Puffersubstanzen oder Nährstofflieferanten bewährten sich die Reaktorkörner, Magnesitstaub und Bimsmehl. Die Reaktorkornkalke wirken ähnlich dem herkömmlich eingesetzten Dolomit mit hoher oberflächennaher Säurepufferkapazität, verbesserter Basensättigung des Mineralbodens, Reduktion der Schwermetallmobilität und Aluminiumbelegung an den Austauscher sowie Erhöhung der Stickstoffspeicherkapazität. Unter dem Einfluss von Magnesitstaubs erhöhte sich der Magnesiumgehalt der Bodenlösung bis in den Hauptwurzelraum und Magnesiummangel in Pflanzen wurde signifikant behoben. Pflanzenvitalitätskennwerte verbesserten sich deutlich. Der Kaliumgehalt der Bodenlösung verbesserte sich bei Perlitstaub und Bimsmehl, in den Pflanzen nur bei Bimsmehl. Unter Einfluss der Tiermehlasche erhöhte sich weder der Gehalt der Bodenlösung noch die biologische Aktivität. Der enthaltene Phosphor liegt als schwerlösliches Hydroxylapatit vor, leichter lösliches Phosphat wurde als Calciumphosphat festgelegt. Durch geringe Anteile von Kalkmilch im Enthärterschlamm wurden initiale Nitrat- und Protonenschübe initiiert, die in stickstoffgesättigten Systemen problematisch werden können. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse wurden die positiv bewerteten Sekundärrohstoffe in die 2003 neugefasste Düngemittelverordnung aufgenommen.
Diese Arbeit stellt eine einheitliche Workbench zur Entwicklung von mobilen Anwendungen in multihop Ad-Hoc-Netzwerken vor. Die einheitliche Workbench besteht aus drei Bausteinen: einem Simulator für diese Netzwerke, einer hybriden Emulationsumgebung für mobile multihop Ad-Hoc-Netzwerke und einer Ausführungsplattform für Anwendungen auf mobilen Geräten. Anwendungen können bereits im Simulator vollständig implementiert und evaluiert werden. Der entstandene Code kann unverändert sowohl im Emulationsteil als auch auf der Ausführungsplattform für mobile Geräte eingesetzt werden. Im passenden dreistufigen Entwicklungsprozeß wird die Anwendung im Simulator implementiert und getestet, bevor sie -- zusammen mit einer graphischen Oberfläche -- in der hybriden Emulationsumgebung weiter evaluiert und optimiert wird. Zuletzt erfolgt die Erprobung auf mobilen Geräten im Feldversuch. Mehrere tausend bis zehntausend mobile Geräte können in der Workbench durch die Beschränkung auf die topologischen Aspekte des Ad-Hoc-Netzwerks und eine besondere Bewegungsmodellabstraktion, die die besonders effiziente Berechnung der Bewegungs- und Konnektivitätsdaten der Geräte ermöglicht, effizient simuliert werden. Die Vorausberechnung und Wiederverwendung dieser Daten ist möglich. Simulationen können in Echtzeit detailliert visualisiert werden, wobei die Art der Visualisierung und das Ausgabeformat vom Benutzer definiert werden können. Die Workbench und der Softwareentwicklungsprozeß für Anwendungen in mobilen multihop Ad-Hoc-Netzwerken werden anhand einer Fallstudie erprobt. Dabei werden die Erfahrungen bei der Implementierung einer Middleware für Ad-Hoc-Anwendungen sowie bei der Entwicklung einer selbstorganisierenden Auktionsanwendung aufgezeigt.
Die Probleme bezüglich der Existenz universeller Funktionen und die universelle Approximation von Funktionen sind von klassischer Natur und spielen eine zentrale Rolle. Folgende Untersuchungen sind Gegenstand dieser Arbeit: Universelle Funktionen, die durch Lückenreihen dargestellt werden, sog. eingeschränkte Universalitäten, mehrfache Universalitäten sowie die universelle Approximation messbarer Funktionen. In einem letzten Kapitel werden abschließend ganzzahlige Cesaro-Mittel untersucht. Hier zeigt sich, dass alle bewiesenen Ergebnisse dieser Arbeit über universelle Approximation im Komplement des abgeschlossenen Einheitskreises durch Teilsummen einer Potenzreihe vom Konvergenzradius 1 auch auf die jeweiligen ganzzahligen Cesaro-Transformierten der Teilsummen übertragbar sind.
Die Nobelpreisträgerin Toni Morrison, die ihren Romanen eine dezidiert auditive Qualität verleihen möchte, rekurriert in ihren Werken auf die Verwendung von Musik und Elementen des afroamerikanischen Vernakularen innerhalb verschiedener narrativer Ebenen. Meine Dissertation gliedert sich in folgende drei Haupt-teile: Zunächst wird die Darstellung einiger Charaktere als Musizierende oder Zuhörer thematisiert, die meist als Kommentar bezüglich der Handlung oder der Charaktere dient bzw. diese bisweilen auch unterminiert. Der Schwerpunkt des zweiten Teils liegt auf der Übertragung musikalischer Eigenschaften auf die Texte, die auf struktureller Ebene von musikalischen Mitteln wie Antiphonie, Rhythmus oder Improvisation Gebrauch machen und sich auch inhaltlich an Texte bekannter Spirituals oder Bluessongs anlehnen. Durch diese Kombination bindet Morrison ihre Romane enger an ihre afroamerikanischen Wurzeln. Im dritten Teil steht das Zusammenspiel zwischen Musik und vernakularen Traditionen des Geschichtenerzählens, des Zeugnisablegens und des Signifyings, also des im Rahmen des Afroamerikanischen typischen kreativen sprachlichen Umdeutens, im Vordergrund, welches Morrison zu einer modernen Hüterin afroamerikanischer Tradition macht.
Basierend auf der konstruktivistischen Lehrtheorie wurde eine Qualifizierung zum Online-Trainer entwickelt, die den neuen Anforderungen der virtuellen Weiterbildung begegnet. Die Wirkung dieser Qualifizierung und deren Einfluss auf den Erfolg der Online-Trainer wurde untersucht. Transparenz in die Aufgaben der Trainer wird durch die Darstellung der Online-Strategie der Trainer ermöglicht. Aus der betrieblichen Weiterbildung nahmen 59 Trainer an der Experimentalgruppe und 53 Trainer an der Kontrollgruppe der untersuchten Stichprobe teil. Entgegen der Annahmen hat die Qualifizierung keinen signifikanten Einfluss auf die Online-Selbstwirksamkeit und Kohäsion der Trainer. Weiterführende Analysen mittels multidimensionaler Skalierung wiesen aber eine Wirkung auf die Online-Strategie nach. Selbststeuerung, Erfahrung und Motivation wurden als moderierende Variablen in Bezug auf die Online-Strategie bestätigt. Zudem moderiert Selbststeuerung auch den Zusammenhang zwischen Qualifizierung und Kohäsion. Die Skala Modellstruktur, die den Einsatz der Online-Strategie als Strukturierungshilfe erfasst, stellt sich als der einzige bedeutende Prädiktor für Online-Trainererfolg heraus. Ergänzend zur Untersuchung stützt ein weiterer Vergleich, der Trainer einbezieht, die weder an der Kontroll- noch Experimentalgruppe teilnahmen, dass die Qualifizierung Einfluss auf den Online-Trainererfolg hat.
Thema der vorliegenden Arbeit ist eine Analyse alltäglicher Rachereaktionen und rachebezogener Reaktionen unter gerechtigkeitspsychologischen Aspekten. Rache wird als eine Bewältigungsreaktion verstanden, welche mit Hilfe eines handlungstheoretischen Rahmenmodells beschrieben werden kann. Diese Konzeption will sich bewusst von jenen (vor allem in der Rechtsphilosophie vertretenen) Ansätzen, nach denen Rache eine destruktive, affektgesteuerte, irrationale Form der Vergeltung sei, abgrenzen. Besonderes Augenmerk wird auf die Frage gelegt, wo und wie sich der Einfluss gerechtigkeitsbezogener Persönlichkeitseigenschaften (Glaube an eine gerechte Welt, Sensibilität für widerfahrene Ungerechtigkeit, Soziale Verantwortung) sowie gerechtigkeitsbezogener Kognitionen und Emotionen im Prozessmodell einer Rachehandlung verorten lässt. Es wird erstens argumentiert, dass gerechtigkeitsbezogene Persönlichkeitseigenschaften (a) auf die subjektive Bedeutsamkeit gerechtigkeitsbezogener Ziele, (b) auf die Wahrscheinlichkeit, mit der von einer verfügbaren Racheaktion Gebrauch gemacht wird, (c) auf den Einsatz sekundärer Bewältigungsstrategien sowie (d) auf die Bewertung rachebezogener Ereignisse Einfluss nehmen. Zweitens wird argumentiert, dass Racheaktionen zumindest begrenzt rational in dem Sinne sind, als ihnen (im Sinne von "Erwartung-´Wert-Theorien") spezifische Kosten-Nutzen-Überlegungen zugrunde liegen. Drittens wird untersucht, inwiefern die Beobachtung eines Schicksalsschlages zu Lasten des "Täters" aus der Perspektive des "Opfers" ebenso funktional sein (d.h. aversive Emotionen reduzieren und zum Erleben von Genugtuung, Zufriedenheit und wiederhergestellter Gerechtigkeit beitragen) kann wie eine erfolgreich ausgeführte Racheaktion. Es werden vier Studien beschrieben, die die im theoretischen Teil der Arbeit entwickelten Hypothesen konsekutiv prüfen. Bei zwei Studien wird mit Vignetten gearbeitet, bei den beiden anderen handelt es sich um laborexperimentelle Untersuchungen. Die Ergebnisse dieser vier Studien zeigen, dass Rachereaktionen zumindest zu einem gewissen Anteil durch antizipatorische Kognitionen sowie durch gerechtigkeitsbezogene Persönlichkeitseigenschaften vorhergesagt werden können. Ebenso kann der Einfluss gerechtigkeitsbezogener Persönlichkeitseigenschaften auf die subjektive Bedeutsamkeit gerechtigkeitsbezogener Ziele sowie auf sekundäre Bewältigungsstrategien nachgewiesen werden. Ein beobachteter Schicksalsschlag zu Lasten des "Täters" kann zwar Ärger und Frustration auf Seiten des "Opfers" dämpfen, nicht aber Zufriedenheit, Genugtuung und die Wahrnehmung wiederhergestellter Gerechtigkeit signifikant erhöhen. Die Befunde werden vor dem Hintergrund aggressions-, gerechtigkeits- und bewältigungspsychologischer Konzepte diskutiert. Aus einer vertieften methodischen Diskussion der verwendeten Untersuchungsansätze ergeben sich darüber hinaus konkrete Vorschläge dahingehend, wie Racheaktionen und rachebezogene Reaktionen in zukünftigen Studien untersucht werden sollten.
Im Jahr 1675 erscheinen in Köln die Memoiren der Herzogin von Mazarin: Hortense Mancini, Memoiren, die Aufsehen erregen, zunächst deshalb, weil eine Frau aus hohen Kreisen die Verfasserin ist, dann aber besonders auf dem Hintergrund des skandalösen Inhalts. Der Erfolg, vor allem bei dem Pariser Publikum, bleibt nicht aus: Jeder möchte Neuigkeiten ergattern über eine Ehe, die in aller Munde ist, aber man hofft auch, das eine oder andere Detail über den Hof und vor allem über Ludwig XIV. in Erfahrung zu bringen. Bereits ein Jahr später machen die Erinnerungen der Konnetabel von Colonna: Marie Mancini, einer Schwester Hortenses, von sich reden, eine Fälschung, die an den Erfolg der ersteren anknüpfen möchte und der ein großes Echo in der Öffentlichkeit beschieden ist. So verwundert es heute kaum, dass Maria sich genötigt sieht, ebenfalls zur Feder zu greifen, um eine Richtigstellung der in den apokryphen Memoiren verbreiteten Lügen und Diffamierungen entgegenzutreten. Sie nimmt den Skandal der Publizierung in Kauf und so erscheint 1678 in Leiden eine von Brémond überarbeitete Fassung, deren Titel "Apologie ou les véritables mémoires de Madame Marie Mancini, connétable de Colonna, écrits par elle-même" ist. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob der Skandal, der durch die Publikationen hervorgerufen wird, beabsichtigt ist oder ob in Wirklichkeit eine Art von Selbstverteidigung dahintersteht: Wollten die beiden Frauen sich und ihre Ehre verteidigen, dies auch unter Inkaufnahme einer Bloßstellung in der damaligen Gesellschaft, in der sie auf dem Hintergrund ihres Verhaltens in der Ehe sowieso Zielscheibe diverser Angriffe und von Spott waren? Hierzu ist eine genaue inhaltliche, aber auch sprachlich-stilistische Untersuchung der Texte unter Berücksichtigung sonstiger Äußerungen der Hortense und Marie Mancini und ihrer Zeitgenossen notwendig, wobei zwischen den beiden Autorinnen wohl differenziert werden muss. Welche Rolle spielt Ludwig XIV., mit dem Marie eine Jugendfreundschaft verbindet und den auch Hortense bestens kennt? In welcher Beziehung stehen Skandal und Apologie? Inwieweit sind die Charaktere der beiden Frauen so unterschiedlich, dass sich dies auch auf die Beweggründe ihres Handelns auswirkt? Beide Verfasserinnen haben Gönner und Feinde, doch ist Hortense weitaus koketter und sonnt sich im öffentlichen Interesse am Skandal, während ihre Schwester zurückhaltender und diskreter erscheint. Sie schreibt ausdrücklich gegen ihren Willen, ob man ihr dies nun glaubt oder nicht, wohingegen Hortense Freude am Schreiben hat und gleichsam den Skandal nutzt, um sich noch mehr in das Licht der Öffentlichkeit zu begeben, was auch durch ihr weiteres Leben unterstrichen wird. Abgesehen von der philologischen und literaturgeschichtlichen Betrachtung haben die Memoiren der beiden Schwestern neben einer Bedeutung im geographisch-politischen Kontext ebenso eine gesellschaftlich-soziale Relevanz bzw. eine frauenemanzipatorische Dimension, die sie auch für den heutigen Leser noch gewinnbringend und interessant erscheinen lassen.
Wahrnehmungsprozesse werden durch Wünsche, Hoffnungen und Befürchtungen beeinflusst. Dieser Sachverhalt wird mit dem Begriff der motivierten Wahrnehmung bezeichnet. Motivierte Wahrnehmung zeigt sich im Einfluss der Stimulusvalenz auf die Sensitivität bzw. die Wahrnehmungsschwelle. Umstritten ist in diesem Zusammenhang besonders die Wahrnehmung von Stimuli mit negativer Valenz: Frühere Arbeiten gingen von einer "Wahrnehmungsabwehr" gegenüber bedrohlichen Signalen aus, während neuere Ansätze Vigilanzeffekte für negativ-valente Stimuli vorhersagen. Eine theoretische Einbettung der Phänomene der motivierten Wahrnehmung in ein Modell der Handlungsregulation erlaubt es, konkrete Hypothesen abzuleiten, wann es zu einer Sensitivierung für negative Signale und wann es zu einer Ausblendung entsprechender Stimuli kommt: Es wird vorhergesagt, dass Hinweise auf kontrollierbare Gefahren Aufmerksamkeit binden und Hinweise auf unkontrollierbare Bedrohungen dagegen im Wahrnehmungsprozess inhibiert werden. Diese Hypothese wurde in einer Reihe von sechs Computerexperimenten mit unterschiedlichen Anordnungen empirisch überprüft. Es wurde besonderer Wert darauf gelegt, methodische Probleme, die mit vielen früheren Forschungsarbeiten in diesem Bereich verbunden waren, zu vermeiden. Die zentrale Herausforderung besteht dabei darin, Wahrnehmungsprozesse von strategischen Effekten auf der Ebene der Entscheidungsfindung und von Reaktionstendenzen zu trennen. Zu diesem Zweck wurden einerseits spezielle statistische Auswertungsformate (stochastische Diffusionsmodelle; Signaldetektionstheorie) herangezogen, die es erlauben, Wahrnehmungseffekte von Reaktionstendenzen zu trennen. Andererseits wurden Paradigmen gewählt, die Antworttendenzen a priori minimierten bzw. ausschlossen. Die Ergebnisse aller sechs Experimente bestätigen die zentrale Hypothese. Wenn eine Bedrohung kontrolliert werden kann, werden negative Stimulusanteile bevorzugt wahrgenommen und die Wahrnehmungsschwelle für entsprechende Hinweise ist verringert. Umgekehrt zeigt sich eine Inhibition negativer Inhalte im Wahrnehmungsprozess und eine erhöhte Wahrnehmungsschwelle für negative Signale, die unkontrollierbare Gefahren ankündigen.