Das 9.Jahrhundert gilt vielfach als "Goldenes Zeitalter" der Juden in Europa. Die Arbeit prüft diese Einschätzung anhand der Attitüden von acht Theologen der "karolingischen Renaissance", wie sie in den Kommentaren zum Corpus Paulinum deutlich werden (Ps.-Beda, Smaragd von Saint-Mihiel, Alkuin von Tours, Claudius von Turin, Hrabanus Maurus, Haimo von Auxerre, Florus von Lyon und Sedulius Scotus). Nach einer Skizze zur Verbreitung von Juden im karolingischen Europa wird der Gehalt der Aussagen zu Juden in der Exegese der Zeit vorgestellt, der Stoff dabei nach Themengruppen gegliedert. Dazu zählen Deutungen zu Juden in Geschichte und Heilsgeschichte, "Gesetz" und Rechtfertigung, "Feindschaft" der Juden, Anmerkungen zur Prädestinationsdebatte, Juden im Endzeitdenken; ein eigenes Kapitel gilt dem zentralen Kapitel Röm. 11, bei dessen Deutung auffallend abweichende Ergebnisse zu verzeichnen sind. Obwohl die Autoren an Orten wirkten, in deren Umgegend keine oder nur geringe jüdische Präsenz nachzuweisen ist, wurden Juden und Judentum mit dem zweiten Viertel des neunten Jahrhunderts zu einem immer beherrschenderen Thema der Kommentare. Die Feinanalyse zentraler Kommentarstellen kann darlegen, daß die Kompilatoren eigene theologische Konzepte mitbrachten, die sie mittels wörtlicher Väterzitate, deren Verknüpfungen und gezielter Aus-lassungen abbildeten. Danach wird das Interesse für das Thema Juden in der karolingischen Theologie als Ausdruck immanent-christlicher, pastoraler Bedürfnisse verstanden.
Die Ritualmordbeschuldigung ist eine von mehreren Anklagen, die in Westeuropa seit dem hohen Mittelalter immer wieder gegen Juden erhoben wurden. Da sie die am weitesten verbreitete unter ihnen war, wirkte sie in besonderem Maße prägend auf das Bild, das in der christlichen Mehrheit von der jüdischen Minderheit in Umlauf war. Der Trienter Fall spielt in diesem Kontext aus vielen Gründen eine herausgehobene Rolle. Die vorliegende Arbeit berücksichtigt alle wesentlichen Elemente des Prozesses, seine Entstehungsbedingungen sowie die Faktoren, die seinen Verlauf beeinflussten und seine weitreichenden Auswirkungen verursachten. Die Ursache für die große Resonanz des Prozesses liegt vor allem im Zusammentreffen der beiden sehr unterschiedlichen Entwicklungen der Judenfeindschaft im deutschen und im italienischen Raum. Die geographische und politische Lage des Fürstbistums Trient im Grenzgebiet zwischen venezianischem und habsburgischem, italienischem und deutschem Einflussbereich führte zu einer Reihe von einmaligen Umständen, die verantwortlich für den Verlauf des Prozesses selbst und auch für seinen ungeheuren Widerhall waren. Hinzu treten andere Faktoren im personellen und institutionellen Bereich und nicht zuletzt die Tatsache, daß mit dem Buchdruck ein völlig neues Medium der Verbreitung und Propaganda zur Verfügung stand, das hier erstmals in großem Umfang eingesetzt wurde. Im Rahmen der Rezeption des Prozesses spielte auch die Entstehung eines Märtyrerkultes für das angebliche Ritualmordopfer, den "seligen Simon von Trient", eine zwar begrenzte, aber keinesfalls zu vernachlässigende Rolle. Langfristig gesehen war es weniger der Kult, der die Bedeutung der Trienter Ereignisse ausmachte, als die Tatsache, daß die Geschichte Simons von Trient wegen ihrer großen Bekanntheit immer wieder als Bestätigung für die Existenz jüdischer Ritualmorde herangezogen wurde und als Vorbild für andere "Ritualmordmärtyrer" fungierte - bis ins 20. Jahrhundert hinein.