Die Arbeit analysiert Bedeutungen von Körperlichkeit im Straßenprotest. Ausgehend von den Selbstwahrnehmungen von Aktivist_innen wird dabei der Frage nachgegangen, wie Erfahrungen den reflexiven Umgang mit Verletzlichkeit und Verletzungsmacht prägen. Zunächst wird dafür eine theoretische Konzeption einer leibkörperlich gebundenen Reflexivität entwickelt. Pierre Bourdieus Theorie der Praxis, die sich der Verkörperung von Wissen widmet, wird ergänzt durch den Rückbezug auf Maurice Merlau-Ponty, der konsequenter herausstellt, dass jegliche Wahrnehmung immer nur körperlich-leiblich möglich ist. Während Merleau-Pontys Fokus auf dem wahrnehmenden Leib liegt, wird mit der philosophischen Anthropologie Helmuth Plessners die Verschränkung von wahrnehmendem Leib und wahrgenommenem Körper, bzw. wie Wahrgenommenes reflexiv auf das Spüren und Erleben zurückwirkt, nachvollziehbar. Aufbauend auf Plessner hat Heinrich Popitz eine Phänomenologie der Macht entwickelt, in deren Zentrum die anthropologischen Grundkonstanten von menschlicher Verletzungsoffenheit und Verletzungsmacht stehen. Diese Konzeption, verbunden mit Ergebnissen aus verschiedenen Vorstudien zur vorliegenden Arbeit, leitet die empirische Analyse von zehn leitfadengestützten Interviews, in denen Aktivist_innen mit teilweise langjähriger Straßenprotestbiographie zu ihren Erfahrungen und Praktiken in Straßenprotesten befragt werden. Die Arbeit ist an der Schnittstelle der drei Teildisziplinen Politische Soziologie, Körpersoziologie und Wissenssoziologie angesiedelt. Innerhalb der Politischen Soziologie liegen die Anknüpfungspunkte insbesondere in der sozial- und kulturwissenschaftlichen Protestforschung. Hier ist der Körper nach wie vor weitgehend marginalisiert und es existieren bisher in Anbetracht des insgesamt kaum noch überschaubaren Umfangs der Protestforschung vergleichsweise wenige Studien. Hinsichtlich der Körpersoziologie zielt die Arbeit - insbesondere mit der Bezugnahme auf Plessners philosophische Anthropologie - auf einen Erkenntnisgewinn hinsichtlich der Verbindung von Körpersoziologie und politischer Soziologie. Es lässt sich vor allem in den letzten Jahren eine deutliche Renaissance Plessners innerhalb der allerdings fast ausschließlich deutschsprachigen Körpersoziologie feststellen. Die körpersoziologischen Arbeiten sind bisher jedoch kaum im Rahmen einer politischen Soziologie aufgegriffen worden. Eine solche Brücke möchte die vorliegende Arbeit insbesondere via Popitz (und z.T. Michel Foucault) schlagen. Wissenssoziologisch folgt die Arbeit dem Verständnis eines verkörperten Wissens, wie es vor allem in Bezug auf Bourdieu konzeptionalisiert wird. Es werden Überlegungen aufgegriffen, die sich u.a. auch Analysen und Konzepten der Dance Studies oder der Sportsoziologie hinsichtlich körperlicher Reflexion verdanken. Im Anschluss an die phänomenologisch orientierten Arbeiten Bourdieus und Merleau-Pontys sowie an Plessners philosophische Anthropologie werden dabei sogenanntes kognitives und körperliches Wissen integriert und die unmittelbare Verschränkung beider Wissensformen aufgezeigt.
Im Rückblick ist alles anders - Experimentelle Untersuchungen zu Distanzschätzungen mit Spiegeln
(2007)
In der vorliegenden Arbeit werden mit Hilfe von vier Experimenten die Vor- und Nachteile gekrümmter Spiegel im Verkehrskontext untersucht. Im ersten Experiment wurden hierzu Distanzschätzungen mittels der Methode der verbalen Größenschätzung erhoben. Im zweiten Experiment mussten Kollisionszeitpunkte geschätzt werden. Die Beurteilung der Situationen geschah in den ersten beiden Experimenten mit Hilfe von planen, sphärischen und asphärischen Spiegeln. Es ergaben sich keine Nachteile durch die Verwendung asphärischer Spiegel, mit dem planen Spiegel fanden sich jedoch ausgeprägte Unterschätzungen der realen Distanzen und Kollisionszeitpunkte. Im dritten Experiment wurden sphärische und teilasphärische Außenspiegel im Hinblick auf ihr nutzbares Sichtfeld und die zur Objekterkennung notwendigen Reaktionszeiten untersucht. Bei vergleichbaren Reaktionszeiten wurden bei der Objekterkennung mit teilasphärischen Spiegeln weniger Fehler gemacht. Im vierten Experiment mussten Distanzen sowohl mit Hilfe von planen und teilasphärischen Spiegeln als auch bei direkter Sicht mittels der Methode des Gehens ohne zu Sehen und der Methode der verbalen Größenschätzung beurteilt werden. Des Weiteren wurden egozentrische und exozentrische Distanzen geschätzt. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der bestehenden Literatur zu Distanzschätzungen mit Spiegeln und Kollisionszeitschätzungen diskutiert. Übereinstimmend zeigten sich mit planen Spiegeln deutliche Unterschätzungen. Dies kann nicht auf die Erhebungsmethode oder Perspektive (ego- vs. exozentrisch) zurückgeführt werden. Mit teilasphärischen Spiegeln werden Distanzen trotz starker Verzerrungen der abgebildeten Objekte relativ genau geschätzt. Die Ergebnisse werden dahingehend interpretiert, dass die Größe des verfügbaren Sichtfeldes einen stärkeren Einfluss auf die Schätzleistungen hat als die Abbildungsqualität.