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Die vorliegende Arbeit zielt auf die Erstellung eines Programmes, das zu Beginn des Studiums insbesondere den zu wenig bewegten Studierenden über den gesamten Ausbildungszeitraum an der Hochschule hinweg ein artgerechten Bewegungsverhalten vermittelt und dieses nachhaltig habitualisiert.
Im einleitenden Kapitel 1 werden die Kernfragen formuliert, die in den Kapiteln 2 bis 4 zu beantwortet sind, um Schlussfolgerungen für die Programmerstellung ziehen zu können. Daneben werden Begrifflichkeiten definiert, die zentral für die Arbeit sind. Neben der antipodischen Darstellung von ‚Körperlicher Aktivität‘ und ‚Körperlicher Inaktivität‘, denen sich schon kurz nach der Mitte des 20. Jahrhunderts die interdisziplinäre Sportwissenschaft zugewandt hat, wird auch eine Präzisierung der Begriffe Bewegung (in Abgrenzung zu Sport) und Fitness (vs. Gesundheit) vorgenommen, um im Folgenden ein operationalisierbares Instrumentarium vorweisen zu können. Ableitend aus den Erkenntnissen der Sportwissenschaft – insbesondere der Sportmedizin – werden in Anlehnung an die ‚Nationalen Empfehlungen zu Bewegung und Bewegungsförderung‘ Vorgaben formuliert, welche Inhalte, Umfänge und Intensitäten an Bewegung wöchentlich zu erfüllen sind, um von einer artgerechten Bewegung sprechen zu können.
Das Kapitel 2, das die sportmedizinischen Befunde zum Thema Bewegungsmangel in den Fokus rückt, stellt einerseits die Auswirkungen von Bewegungsmangel auf das Individuum in den Mittelpunkt und betrachtet andererseits die Effekte auf die Gesellschaft. Bezogen auf das Individuum wird festgehalten, dass Morbidität in sehr vielfältigen Formen durch Bewegungsmangel ansteigt und andererseits eine artgerechte Bewegung ein hohes Schutzpotential für körperliche und geistige Funktionsfähigkeit besitzt. Es wird gezeigt, dass Bewegungsmangel zurecht als Risikofaktor Anerkennung gefunden hat, da er alleine – sowie in Kombination mit Fehlernährung – zu Störungen im Stoffwechsel führen kann, die ihrerseits mannigfaltige negative Effekte auslösen, die zum Anstieg vieler Erkrankungen (z.B. Herz-Kreislauferkrankungen wie Hypertonie, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Haltungsstörungen, psychische Störungen) führen, die die Lebensqualität senken und die Lebensspanne reduzieren können.
Neben der höheren Inzidenz von Erkrankungen kann Bewegungsmangel zu z.T. massiven Einschränkungen von Alltagsfunktionen führen. Exemplarisch – und mit Vorgriff auf die Pilotstudie, die im Kapitel 3 beschrieben wird – wird berichtet, wie stark die Cardiorespiratorische Fitness (CRF) unter Bewegungsmangel leidet. Es wird ein Modell vorgestellt, das zeigt, dass Menschen, die als Kind und als Erwachsene unter Bewegungsmangel leiden, eine stark verkürzte ‚Health Span‘ gegenüber durchweg bewegten Personen aufweisen.
Neben der Tatsache, dass die Funktionsfähigkeit eingeschränkt ist, wird darauf hingewiesen, dass mit den beschriebenen Prozessen auch eine Verringerung der Lebensqualität und einer Verkürzung der Lebensspanne insgesamt einhergehen können.
Dass diese Effekte nicht nur das einzelne Individuum betreffen, sondern gesamtgesellschaftliche Wirkung entfalten liegt auf der Hand und es wird dargestellt, dass weltweit an Programmen gearbeitet wird, um die ökonomischen und sozialen Folgen von Bewegungsmangel abzumildern, indem diese an der Wurzel bekämpft werden soll.
Es wird schlussgefolgert, dass die Erhöhung des Bewegungsausmaßes angestrebt werden muss, um physiologische und psychische Folgen die direkt oder indirekt auf Bewegungsmangel zurückzuführen sind, einzudämmen, damit die sowohl die ‚Life Span‘ als auch die ‚Health Span‘ verlängert werden.
Das Kapitel 3 nimmt unter Anwendung soziologischer Forschungsmethoden die Gruppe der Studierenden in den Fokus und klärt, wie sich die Zielgruppe hinsichtlich ihres Bewegungsverhaltens beschreiben lässt. Mit Blick auf die nationale Referenzstichprobe zum Gesundheitszustand und –verhalten von Studierenden werden zunächst die Ergebnisse einer eigenen Pilotstudie präsentiert. Diese basiert auf einem zweisemestrigen Lehr- und Forschungsprojekt, an dem eingangs 23 Studierende (15 weiblich, 8 männlich, Durchschnittsalter zu Beginn: 22.9 Jahre) teilnahmen. Diese wurden in einer Interventionsstudie ein- bzw. zweimal pro Woche in der Vorlesungszeit bewegt, wobei vor und nach dem Programm als auch vor und nach der Vorlesungszeit verschiedene physiologische und psychometrische Messungen durchgeführt wurden. Über den gesamten Beobachtungszeitraum hinweg trugen alle Probanden täglich (mit wenigen Ausnahmen) einen Fitnesstracker, der es ermöglichte das Bewegungsverhalten während der Wachzeit zu erfassen.
Neben der Tatsache, dass der Beobachtungszeitraum nicht ausreichte, um die Studierenden an das artgerechte Bewegungsverhalten, das über die Bewegungspraxiseinheiten in der Vorlesungszeit erreicht wurde, zu binden, zeigten sich Effekte, die für die Programmgestaltung von Bedeutung sind. Positiv entwickelten sich alle gemessenen physiologischen Parameter. So konnte ein Anstieg der Muskelmasse ebenso festgestellt werden wie die Verbesserung der Core-Muskulatur und der CRF. Andererseits führte der Bewegungsmangel in den Pausen nicht nur zum (fast vollständigen) Verlust dieser Gewinne, sondern es konnte auch ein Anstieg der Körperfettmasse identifiziert werden.
Die Beobachtung des Bewegungsverhaltens ergab ein Bild, das sich mit Ergebnissen der Referenzstudie deckt und zeigt, dass diese Gruppe sich ohne Anleitung deutlich unter dem zu fordernden Mindestmaß bewegt.
Dieses Ergebnis zeigte auch die Auswertung der Onlinebefragung, an der ca. 1000 Studierende teilgenommen hatten. Studierende, die regelmäßig Sport treiben, beklagen weit weniger häufig körperliche Beschwerden und psychische Belastungen als ihre Kommilitonen, die nur gelegentlich oder nie Sport treiben. Auch wenn diese Ergebnisse zu erwarten waren, überraschte die Häufigkeit des Auftretens bestimmter Beschwerden. So gaben fast 48% der Studierenden an, häufig unter Rückenbeschwerden zu leiden.
Erhellend war insbesondere das Ergebnis, dass das Spaßmotiv die wichtigste beeinflussbare Determinante ist, über die sich Studierende zu mehr Bewegung leiten lassen, wenn auch andere Barrieren niedrig gehalten werden.
Das Kapitel 4 beschäftigt sich mit den motivationalen und handlungsbezogenen Modellen zur Vorhersage des Bewegungsverhaltens und soll Erkenntnisse bündeln, wie junge unbewegte Menschen im Sinne der Zielstellung zu unterstützen sind. Der Blick in die Forschungsgeschichte und aktuelle Ansätze zeigt, dass eine Verhaltensmodifikation nur gelingen kann, wenn sowohl kognitive als auch emotionale Prozesse in den Blick genommen werden.
Ein strukturiertes Vorgehen, bei dem die unterschiedlichen Phasen des Verhaltenswechsels das Gerüst für Ansätze bietet, muss phasengerechte emotionale und kognitive Interventionen aufweisen, die passgenau die Situation des Betroffenen aufnehmen und ihm die benötigte Unterstützung anbieten. Im Sinne einer ‚tailored intervention‘ müssen die Kerndeterminanten, die sich aus den kognitiv-affektiven Kombinationsmodellen identifizieren lassen angewendet werden, um auf beiden Ebenen einen Wirkimpuls in die gleiche Richtung auszulösen. Im Mittelpunkt wird dabei die Verbesserung der Selbstwirksamkeit stehen, die auf beiden Ebenen angesprochen werden muss.
Nach einem kurzen Zwischenfazit in Kapitel 5, das die Schlussfolgerungen der Vorkapitel pointiert zusammenfasst, wird in Kapitel 6 das UiB-Konzept dargestellt. Im ersten Teil (Kapitel 6.1.) werden anhand der Phasenstruktur die Methoden und Strategien vorgestellt, die Studierende auf den Weg zu mehr Bewegung bringen und halten sollen. Das Herangehen besteht dabei darin, die Inhalte, die Didaktik und Methodik und die Formate vorzustellen und rückt dann die Aufgaben des einzusetzenden Personals in den Vordergrund. Diese Struktur wird erst in den letzten Unterkapiteln zugunsten einer Fokussierung auf die Inhalte und das Personal aufgegeben, um eine bessere Lesbarkeit ohne ein zu großes Maß an Redundanzen zu erzeugen. Für die Präkontemplationsphase werden Formate vorgestellt, die – eingepasst in den Semesterablauf der Erstsemesterstudierenden – von speziell ausgebildetem Lehrpersonal Ideen und Konzepte aus Kapitel 4 aufgreifen, um Studierende für die Problemstellung zu sensibilisieren. In der Kontemplationsphase, in der zum erstem Mal auch sogenannte Buddies, die ob ihrer eigenen Bewegungssozialisation und v.a. ihrer Nähe zur Peergroup, die Vertrauen schafft, in den Vordergrund treten, wird den interessierten Studierenden in eigens konzipierten Seminaren Wissen vermittelt, das sie in die Lage versetzt, zu entscheiden, ob das Programm einen Mehrwert für sie erbringen kann. Im Anschluss an diese Veranstaltungen (Präparationsphase) wird den Studierenden durch Buddies der Übergang in die Phase der Umsetzung aufgezeigt und mit ihnen eine Art Vertrag abgeschlossen, der schriftliches Zeugnis des Commitments ist, sich in die Phase der Umsetzung zu begeben. In der Phase der Handlungsaufnahme selbst werden die Teilnehmenden zu Buddygruppen zusammengeschlossen, die als Keimzelle des sozialen Miteinanders als wesentlicher Stützpfeiler des Programms dienen. Eine entscheidende Rolle zum Aufbau der Selbstwirksamkeit nehmen die Kursleiter ein, die den Bewegungsanfängern Zuversicht in ihre eigenen Möglichkeiten stärken sollen. Dabei agieren sie auf der Basis einer ausgearbeiteten Vermittlungs- und Inhaltsanleitung, die sehr feinschrittig für die beiden Kurstypen (Core-Kurs und Kurs Funktionales Ganzkörpertraining) ausgearbeitet wird. Exemplarisch wird dies im Kapitel 6.1.4 für den Core-Kurs dargestellt, wo beginnend mit dem Erstkontakt und dem initialen Fitnesstest ein Bogen bis hin zu dem Test im Anschluss an das Semester geschlagen wird. Schon in dieser Phase werden parallel zu den Bewegungskursen, initiiert durch die Buddies, Kontakte außerhalb des direkten Kursrahmens angeregt, die die Studierenden zu einer Gruppe formen, die als stabilisierendes Element fungiert und die Teilnehmer unterstützt im Programm zu bleiben. Diese Taktik ist auch die Kernstrategie der Phase der Aufrechterhaltung, in der die Studierenden weiter in Buddygruppen zusammengehalten werden. Neben neuen Inhalten in den Kursen, die trainingstheoretisch begründet benötigt werden, um Trainingsgewinne zu sichern, dienen diese auch dazu für Abwechslung zu sorgen und so zum Bleiben zu motivieren. Die Aktivitäten in den Gruppen werden zudem in übergreifenden Maßnahmen gebündelt, in den die Studierenden ein Selbstverständnis entwickeln sollen, Teil einer großen Gemeinschaft zu sein. Um die Fortschritte, die sich aus der Bewegung ergeben zu dokumentieren, und so den Teilnehmern zu zeigen, dass sich ihr Einsatz lohnt, werden regelmäßig Testungen durchgeführt, deren Ergebnisse mit denen der Eingangstests verglichen werden können.
Im zweiten Teil des Kapitels werden die prominenten Rollen des Kernpersonal (Übungsleiter und Buddies) beschrieben und dargelegt, wie die ausgewählt und geschult werden. Auch diese Funktionen sind den Ansätzen aus den Vorkapiteln entliehen. Einerseits zeigte die Onlinebefragung, dass viele unbewegte Studierende einen Partner vermissen, der sie beim Bewegen begleitet, andererseits zeigt der Blick in die psychologischen Modelle, dass diese Personen evident für den Aufbau einer Selbstwirksamkeit und so dem Wandel der Verhaltensmuster hin zum bewegten Menschen sind.
Der abschließende dritte Teil dieses Kapitel greift in Kürze die Idee auf, begleitend zu den Bewegungskursen Theoriekurse anzubieten und stellt deren Inhalte dar.
Im Kapitel Diskussion und Ausblick wird auf die Limitationen des Programms eingegangen, die v.a. darin besteht, dass die Buddy-Forschung noch recht jung ist und so die Wirkweise und -konsitenz noch schwer abzusehen ist. Andererseits wird auch kritisch betrachtet, wie stark die Rolle der äußeren Faktoren sein kann und eine Unterstützung der universitären Strukturen vonnöten ist, um Erfolg zu haben. Abschließend wird ins Auge gefasst, den Umsetzungsprozess umfänglich zu evaluieren, um Ansatzmöglichkeiten für Verbesserungen zu finden, und so im jungen Feld der ‚Fitnesswissenschaft‘ Kompetenz in der Vermittlung eines artgerechten Bewegungsverhaltens mehren zu können.
Die vorliegende Arbeit ist eine Fallstudie zu Gender- und ethnischen Identitäts- und Differenzkonstruktionen in einer indigenen Gemeinde im Tiefland Ecuadors. Sie sucht folgende Fragen zu beantworten: I. Wie wird Gender im sog. "Oriente" Ecuadors verhandelt und performativ produziert? Existieren Gegenstimmen und Subversionen zu dominanten Genderrollen, und wenn ja, in welcher Form? II. Wie entwerfen die Napo Runa von der sogenannten Peripherie aus ihre nationale und ethnische Identität? Welche Diskurse und praktischen Strategien entwickeln sie im Umgang mit den ethnisch "Anderen" innerhalb des nationalen, ecuadorianischen Kontextes? III. Auf welche Art und Weise sind die Kategorien Gender, Ethnizität und Nation ineinander verwoben? Wie werden Männlichkeiten und Weiblichkeiten in Abgrenzung und Anziehung zum ethnisch "Anderen" konstruiert? Wie werden dabei hegemoniale Gender-, ethnisch-rassische und nationale Diskurse und Praxen von den Runa aufgenommen, verarbeitet und umgedeutet? In der feministisch ausgerichteten Gender-Forschung dienen "nicht-westliche" Beispiele häufig dazu, Alternativen zur euro-amerikanischen binären, heteronormativen Geschlechterordnung aufzuzeigen und letztere somit zu dekonstruieren. Diese Fallstudie zu den Tiefland-Runa in Ecuador kann dazu nur sehr bedingt einen Beitrag leisten: Die Runa bestehen auf der Dichotomie weiblich-männlich, die nach dem biologischen Geschlecht des Kindes bei der Geburt bestimmt wird. Und dennoch erfordert das Herausbilden der "richtigen" Genderidentität aus indigener Perspektive von Kindheit an beständige Formung, was sich besonders in der früh einsetzenden Arbeitsteilung äußert, welche Wissen in den Körper "einschreibt". Wer die gegenderten, alltagspraktischen Techniken in seinen/ihren Körperhabitus übernommen hat, gilt als "richtiger Mann" resp. "richtige Frau", als erwachsen. Der biologischen Reifung des Körpers wird dagegen weniger Bedeutung beigemessen. Explizit ausformuliert wird die für gesellschaftliches Leben als unerlässlich angesehene Komplementarität beider Geschlechter. Die jüngere ethnographische Literatur zum Amazonastiefland tendiert mehrheitlich zur Gleichsetzung dieser Komplementarität mit einem egalitären Geschlechterverhältnis. Meine Daten deuten jedoch auf ein unausgeglichenes Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen hin. Eine klare Hierarchie lässt sich in verschiedenen Bereichen ablesen, wie z.B. dem unterschiedlichen Zugang zu politischer Macht, spirituellem Wissen, ökonomischen Möglichkeiten, Arbeitszeitaufteilung, Bewegungsfreiheit und Verfügungsgewalt über den eigenen und fremde Körper. Auch in der Abgrenzung der Runa gegenüber anderen ethnischen Gruppen spielt die Kategorie Geschlecht eine zentrale Rolle. Entlang der Runa-Ideale von geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung und Verhaltensidealen werden Grenzen gezogen. Dabei sind es die MestizInnen, welche die wichtigste Rolle in diesem fortwährenden identitätszeichnenden und -versichernden Prozess als direkte und dominanteste Gegenüber spielen. Einerseits sucht man sich gegen mestizische Dominanz und Vereinnahmung durch Betonung der eigenen, ethnisierten Kraft und Stärke und einer "reinen" Heiratspraxis zu erwehren. Andererseits eifert insbesondere die jüngere Generation, auch in ihren Genderentwürfen, einem mestizischen Lebensstil als Inbegriff von "Zivilisation", Modernität, Urbanität und Fortschrittlichkeit nach und versucht, dies besonders durch Bildung zu erreichen. Speziell in den Feminitätsentwürfen der ruralen, traditionellen runa warmi und ihrem Gegenstück "urbane Mestizin" findet dieser Widerspruch seinen Ausdruck. Für Männer stellt das Militär den größten außerdörflichen Einfluss auf jugendliche maskuline Runa-Identitätsbildung dar und drängt diese zusehends in die Richtung eines mestizisch-virilen Männlichkeitsideals, das eng verbunden ist mit einer nationalen Identität als Ecuadorianer. Beruhend auf Viveiros de Castros" Multinaturalismus-Theorie findet man in der wissenschaftlichen Literatur zum Amazonastiefland immer wieder die Darstellung äußerst aufnahmefähiger, flexibler Gesellschaften, welche starren ethnischen Grenzen mit größter Skepsis zu begegnen wüssten. Die Inkorporierung "Fremder", seien sie Affinalverwandte oder ethnisch different, geschehe über die konstante gemeinsame Produktion entlang der gegenderten Arbeitsteilung und den Konsum der gleichen Nahrung, die zusehends und fortlaufend die Unterschiede zwischen Menschen nivellieren. Ich halte diese Einschätzung amazonischen Gemeinschaftslebens für idealisiert. Sie mag partiell richtig sein, jedoch wird "Fremdartigkeit" nie ganz vergessen. Eine gewisse "fremde" Essenz, welcher Art diese auch immer sein möge, bleibt bestehen " unabhängig davon, ob die Betreffenden die geschlechtsspezifischen Runa-Körpertechniken erlernt haben. Es stehen hier m. E. zwei Diskurse nebeneinander.
Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht das Werk des nigerianischen Künstlers Twins Seven-Seven. Er gehört der ersten postkolonialen Künstlergeneration an und zählt zu den nicht akademisch ausgebildeten Künstlern, die innerhalb der aufstrebenden und äußerst vitalen Kunstszene der sechziger Jahre einen Teil der Kunstschaffenden stellten, die vor allem seitens der westlichen Rezeption als besonders attraktiv wahrgenommen wurden. Erstaunlich schnell avancierte Twins Seven-Seven zu einem der bekanntesten Künstler so genannter Neuer Kunst aus Afrika und war in Ausstellungen weltweit vertreten. Erstmalig wurden für diese Untersuchung Bildwerke des Künstlers aus vier Jahrzehnten systematisch zusammengetragen und unter werkimmanenten wie werkübergreifenden Aspekten beschrieben und analysiert. Die spezifische Entstehungssituation des Oeuvres, biographische Aspekte der "Generation Seven-Seven", der Wandel von Arbeitsbedingungen des Künstlers sowie die westliche Rezeption Twins Seven-Sevens waren dabei zentrale Bezugspunkte für die Auseinandersetzung mit dem Oeuvre. Die Untersuchung zeigt wie notwendig und oftmals überraschend im Ergebnis die konkrete objektbezogene Auseinandersetzung mit dem Oeuvre ist und versteht sich deshalb als Erweiterung zum bislang vor allem theoretisch geführten Diskurs zur zeitgenössischen außereuropäischen Kunst. Sie ist mehr als das Portrait eines Pioneers postkolonialen Kunstschaffens, weil sie exemplarisch für die Auseinandersetzung mit einem Oeuvre steht, das nicht in der westlichen Kultur beheimatet ist, aber dennoch vielfältige Beziehungen mit ihr eingeht, was ein bis heute aktuelles Merkmal nicht traditioneller afrikanischer Kunst darstellt.
Ethnologie goes Internet. Internetauftritte deutschsprachiger Ethnologie-Institute im Vergleich
(2004)
Warum sind Internetauftritte ethnologischer Universitätsinstitute wichtig? Die Antwort auf die Frage ist relativ leicht zu geben: ethnologische Inhalte und Themengebiete sollen stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden. Diese Forderung ist schon lange Teil einer öffentlichen Diskussion unter Ethnologen. Das Medium Internet bietet bei der Präsentation ethnologischer Themen ein großes Potential: es stellt eine gute Kommunikationsplattform dar und kann eine breite Öffentlichkeit erreichen. Diese Projektarbeit entstand im Rahmen eines interdisziplinären Seminars zur Medienethnologie (Universität Trier, WS 2003/04, Leitung: Dr. M. Schönhuth). Wichtigstes Ziel der Arbeit war die Evaluierung der Homepage des Faches Ethnologie an der Universität Trier. Aus diesem Grund wurden die Internetauftritte verschiedener deutschsprachiger Ethnologie-Institute nach einem zuvor entwickelten Bewertungsschema untersucht und verglichen. Die Evaluation soll im Nachlauf des Projektes als Optimierungshilfe für die Erstellung einer neuen Internetpräsenz des Faches dienen.
Die vorliegende Habilitationsschrift widmet sich der Begegnung von partizipativen Entwicklungsansätzen und Ethnologie, ihren Chancen, ihren Gefahren und ihren Grenzen. Sie tut dies empirisch dort, wo die Begegnung derzeit am breitesten stattfindet: in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (EZ). Von ethnologischer Seite bedeutet dies eine Fokussierung auf den Teilbereich des Faches, der sich vorwiegend mit der Thematik EZ beschäftigt: die Entwicklungsethnologie. Das erste Kapitel gibt einen Überblick über den State-of-the-Art der deutschen Entwicklungsethnologie. Von den partizipativen Ansätzen wurde beispielhaft derjenige gewählt, der in der EZ in den letzten 10 Jahren am meisten rezipiert und in Projekte und Programme eingebunden wurde. Er firmiert in Entwicklungskreisen unter den Labeln Rapid Rural Appraisal (RRA) bzw. Participatory Appraisal (PRA). Seine wesentlichen Kennzeichen, seine unterschiedlichen Verwendungsbereiche und seine Begegnung mit der Ethnologie werden im zweiten und dritten Kapitel skizziert. Zwei Fallbeispiele (in Tansanias Rukwaregion und bei Russlanddeutschen in der Nähe von Nowosibirsk) zeigen, wie der Einsatz von PRA in der Projektpraxis bzw. im Rahmen einer ethnologischen Lehrforschung aussehen kann. Auf dieser empirischen Basis wird das Label "PRA" auf seine Verwendungen in der Praxis hin analysiert, seine Grenzen und Herausforderungen bestimmt und Anschlusspunkte für eine kritische Entwicklungsethnologie gesucht. Ein Kapitel zur notwendigen Frage der Ethik in der praxisbezogenen entwicklungsethnologischen Forschung schließt sich an, bevor in einem umfassenden Versuch die Fäden zusammen geführt und die Begegnung von Ethnologie und Partizipation an den Schnittstellen von Entwicklung ausgeleuchtet werden. Das einführende Kapitel bildet den Rahmen und die Klammer für die nachfolgenden Beiträge. Es verortet den Partizipationsdiskurs in den zwei Feldern, in denen sich Entwicklungsethnologie und die PRA-Methoden entwickelt haben. Es wird die Frage geklärt, in welchem Rahmen die Begegnung von partizipativen Ansätzen mit der internationalen EZ und mit der ethnologischen Fachgeschichte stattgefunden haben. Am Ende der Einleitung wird ein Ausblick aus heutiger Sicht (Ende 2002) vorgenommen. Mein persönliches Interesse an der Thematik und die empirische Legitimation für diese Arbeit sind berufsbiographischer Natur. 1992 war ich der Einladung eines Fachkollegen gefolgt, im Rahmen eines Forschungsauftrages den damaligen Stand partizipativer Ansätze in der deutschen und internationalen staatlichen Zusammenarbeit zu erheben (vgl. Schönhuth / Kievelitz 1993). Als angewandt arbeitender Ethnologe, der zwar teilweise praktisch forscht und berät, sein Standbein aber in der akademischen Forschung und Lehre hat, stellte sich mir die Frage, ob, und wenn ja wie sich die eher rasch und handlungsorientiert arbeitenden partizipativen Ansätze der EZ mit klassischen ethnologischen Methoden verbinden lassen.