Im Rückblick ist alles anders - Experimentelle Untersuchungen zu Distanzschätzungen mit Spiegeln
(2007)
In der vorliegenden Arbeit werden mit Hilfe von vier Experimenten die Vor- und Nachteile gekrümmter Spiegel im Verkehrskontext untersucht. Im ersten Experiment wurden hierzu Distanzschätzungen mittels der Methode der verbalen Größenschätzung erhoben. Im zweiten Experiment mussten Kollisionszeitpunkte geschätzt werden. Die Beurteilung der Situationen geschah in den ersten beiden Experimenten mit Hilfe von planen, sphärischen und asphärischen Spiegeln. Es ergaben sich keine Nachteile durch die Verwendung asphärischer Spiegel, mit dem planen Spiegel fanden sich jedoch ausgeprägte Unterschätzungen der realen Distanzen und Kollisionszeitpunkte. Im dritten Experiment wurden sphärische und teilasphärische Außenspiegel im Hinblick auf ihr nutzbares Sichtfeld und die zur Objekterkennung notwendigen Reaktionszeiten untersucht. Bei vergleichbaren Reaktionszeiten wurden bei der Objekterkennung mit teilasphärischen Spiegeln weniger Fehler gemacht. Im vierten Experiment mussten Distanzen sowohl mit Hilfe von planen und teilasphärischen Spiegeln als auch bei direkter Sicht mittels der Methode des Gehens ohne zu Sehen und der Methode der verbalen Größenschätzung beurteilt werden. Des Weiteren wurden egozentrische und exozentrische Distanzen geschätzt. Die Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der bestehenden Literatur zu Distanzschätzungen mit Spiegeln und Kollisionszeitschätzungen diskutiert. Übereinstimmend zeigten sich mit planen Spiegeln deutliche Unterschätzungen. Dies kann nicht auf die Erhebungsmethode oder Perspektive (ego- vs. exozentrisch) zurückgeführt werden. Mit teilasphärischen Spiegeln werden Distanzen trotz starker Verzerrungen der abgebildeten Objekte relativ genau geschätzt. Die Ergebnisse werden dahingehend interpretiert, dass die Größe des verfügbaren Sichtfeldes einen stärkeren Einfluss auf die Schätzleistungen hat als die Abbildungsqualität.
Das Wissen über Distanzen zwischen Objekten in unserer Umwelt versetzt uns in die Lage, Wege wiederzufinden oder zu entscheiden, welcher von zwei verschiedenen Wegen schneller zum Ziel führt. Zur Frage, wie diese Informationen im Gedächtnis abgespeichert werden, gibt es unterschiedliche Modellvorstellungen. Ziel dieser Arbeit war es, diese Modelle auf experimentellem Wege gegeneinander zu testen. Die Versuchspersonen lernten Routen, indem sie durch virtuelle Umgebungen am Computermonitor navigierten. Anschließend sollten sie aus dem Gedächtnis Distanzen zwischen einzelnen Objekten in der gelernten Umgebung einschätzen. Der Zeitbedarf für diese Schätzungen wurde verwendet, um Rückschlüsse auf die zugrunde liegende Raumrepräsentation zu ziehen. In einem ersten Teil der Arbeit wurde untersucht, wie Distanzen entlang von Wegen repräsentiert sind. Die Ergebnisse stützen die Auffassung, daß diese Schätzungen durch mentales Absuchen einer kartenähnlichen Repräsentation zustande kommen. In einem zweiten Teil der Arbeit wurde untersucht, welche Repräsentationsform Menschen in die Lage versetzt, Luftliniendistanzen zwischen Orten zu schätzen. Die Reaktionszeiten deuten darauf hin, daß diese Distanzen nicht während der Schätzung aus den Weglängen rekonstruiert werden, sondern ebenfalls durch ein Absuchen kartenartiger Repräsentationen ermittelt werden. Die Ergebnisse widersprechen somit der Auffassung, daß die Wiedergabe räumlicher Relationen aus dem Gedächtnis durch eine Verknüpfung explizit kodierter Relationen geschieht, die beim räumlichen Lernen perzeptiv zugänglich sind. Vielmehr ist davon auszugehen, daß schon bei der Enkodierung ein hohes Maß an räumlicher Integration stattfindet.