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In mehreren aktuellen Studien wurde bei Kindern und Erwachsenen ein Zusammenhang zwischen der Diagnose einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) und dem Vorliegen eines erhöhten Gewichtsstatus bzw. Übergewicht und Adipositas nachgewiesen. Übergewicht und Adipositas entwickeln sich aufgrund einer mittel- bzw. langfristigen positiven Energiebilanz (Energieaufnahme > Energieverbrauch). Da ADHS zumeist mit vermehrter Bewegung bzw. Hyperaktivität einhergeht, welche sich steigernd auf den Energieverbrauch auswirkt, sollte sich eine positive Energiebilanz im Falle einer ADHS überwiegend durch eine erhöhte Energieaufnahme erklären lassen. In der vorliegenden Untersuchung wurde das Ess- und Ernährungsverhalten von 30 Jungen ohne sowie 47 Jungen mit einer ADHS nach DSM-IV im Alter von 8 bis 14 Jahren mittels verschiedener Methoden untersucht. Die Makrostruktur des Essverhaltens der Probanden im Alltag wurde mittels eines Ernährungstagebuches erfasst. Es zeigten sich v.a. eine geringere berichtete Energieaufnahme bei den adoleszenten Probanden mit ADHS, jedoch keine weiteren Unterschiede in der so erfassten Makrostruktur des Essverhaltens zwischen den Gruppen. Allerdings stellte sich ein erhöhter Gewichtsstatus auch als bedeutsamer Prädiktor einer Unterschätzung der konsumierten Nahrung heraus. Mittels Fragebogen wurde u.a. erfasst, wie problematisch und belastend die Mahlzeiten von den Eltern der Jungen erlebt werden. Ess- und Ernährungsprobleme stellten sich dabei als Teilaspekte der psychischen Gesamtauffälligkeit der Kinder heraus, während Eltern von Kinder mit ADHS sich im Vergleich dadurch als stressbelasteter erlebten. Letztlich wurde die Mikrostruktur des Essverhaltens der Probanden während einer Testmahlzeit im Labor untersucht. Die Jungen mit einer ADHS zeigten dabei v.a. eine größere Bissengröße sowie eine kürzere Essdauer. Die Befunde werden abschließend im Rahmen eines Modells zu impulsivem Essverhalten diskutiert.
Fibromyalgia is a disorder of unknown etiology characterized by widespread, chronic musculoskeletal pain of at least three month duration and pressure hyperalgesia at specific tender points on clinical examination. The disorder is accompanied by a multitude of additional symptoms such as fatigue, sleep disturbances, morning stiffness, depression, and anxiety. In terms of biological disturbances, low cortisol concentrations have been repeatedly observed in blood and urine samples of fibromyalgia patients, both under basal and stress-induced conditions. The aim of this dissertation was to investigate the presence of low cortisol concentrations (hypocortisolism) and potential accompanying alterations on sympathetic and immunological levels in female fibromyalgia patients. Beside the expected hypocortisolism, a higher norepinephrine secretion and lower natural killer cell levels were found in the patient group compared to a control group consisting of healthy, age-matched women. In addition, an increased activity of some pro-inflammatory markers was observed thus leading to alterations in the balance of pro-/anti-inflammatory activity. The results underline the relevance of simultaneous investigations of interacting bodily systems for a better understanding of underlying biological mechanisms in stress-related disorders.
Das EU-weite Naturschutznetz Natura 2000 (FFH) umfasst über 11% der terrestrischen Ökosystemfläche. Zur langfristigen Erhaltung dieser Gebiete fehlt ein funktionierendes Monitoringsystem mit geeigneten Indikatoren, Parametern und Datenprodukten, die eine regelmäßig wiederholbare, flächendeckende und vor allem kosteneffiziente Erhebung ermöglichen. Hierfür untersucht diese Dissertation moderne, höchstauflösende Satellitendaten und die Möglichkeiten ihrer Anwendung im Naturschutz, insbesondere als Grundlage zur Indikatorenableitung. Es wurden konkrete Anforderungen von Behörden und NGO bzgl. Daten und Indikatorwerten gesammelt und für zwei Untersuchungsgebiete im Naturpark "Hoher Fläming" in Brandenburg umgesetzt. Dazu wurden zwei Aufnahmen des QuickBird-Satelliten akquiriert und mit vorhandenen GIS-Daten kombiniert. Der praktische Teil der Arbeit beschreibt Eigenschaften und Vorverarbeitung aller Daten, ihre Auswertung nach einem objektbasierten Ansatz und die Ableitung spezifischer quantitativer Parameter. Diese beschreiben den Zustand der Ökosysteme und berücksichtigen die sozio-ökonomischen Belastungen, die auf die Flächen einwirken und Nutzungskonflikte verursachen. Auf der Basis dieser Parameter wurden räumliche Indikatoren erprobt. Zur Anwendung auf der lokalen Ebene in bewaldeten Gebieten und für das Monitoring von Offenland-Flächen werden je zwei Indikatoren vorgeschlagen. Für die regionale Ebene wird ein sozio-ökomischer Indikator empfohlen. Diese fünf Indikatoren sind dazu geeignet, ausgewählte Aspekte der (Bio)Diversität in Schutzgebieten zu beschreiben. Sie analysieren Komposition, Struktur und Funktion der Habitat-Typen sowohl auf der regionalen Landschafts-Ebene, als auch auf der lokalen Ökosystem- bzw. Schutzgebiets-Ebene. Alle Indikatoren besitzen einen Nutzen für das Management von Schutzgebieten und bieten zumindest indirekte Hilfe für die Berichterstattung im Sinne der FFH-Richtlinie. Die vorgeschlagenen Indikatoren sind zwar spezifisch auf die lokalen Untersuchungsgebiete zugeschnitten, doch sind die ökologischen Rahmenbedingungen allgemein gültig. Es ist möglich, diese Indikatoren auch in anderen europäischen Regionen mit den gleichen natürlichen Gegebenheiten und sozio-ökonomischen Strukturproblemen anzuwenden. Für die Anwendung verschiedener Fernerkundungsdaten zur Erfüllung von Monitoringaufgaben sprechen die positiven Ergebnisse der durchgeführten Kosten-Nutzen-Analyse. Vor- und Nachteile von Daten und Auswertungsmethoden werden ausführlich diskutiert.
The subject of this thesis is hypercyclic, mixing, and chaotic C0-semigroups on Banach spaces. After introducing the relevant notions and giving some examples the so called hypercyclicity criterion and its relation with weak mixing is treated. Some new equivalent formulations of the criterion are given which are used to derive a very short proof of the well-known fact that a C0-semigroup is weakly mixing if and only if each of its operators is. Moreover, it is proved that under some "regularity conditions" each hypercyclic C0-semigroup is weakly mixing. Furthermore, it is shown that for a hypercyclic C0-semigroup there is always a dense set of hypercyclic vectors having infinitely differentiable trajectories. Chaotic C0-semigroups are also considered. It is proved that they are always weakly mixing and that in certain cases chaoticity is already implied by the existence of a single periodic point. Moreover, it is shown that strongly elliptic differential operators on bounded C^1-domains never generate chaotic C0-semigroups. A thorough investigation of transitivity, weak mixing, and mixing of weighted compositioin operators follows and complete characterisations of these properties are derived. These results are then used to completely characterise hypercyclicity, weak mixing, and mixing of C0-semigroups generated by first order partial differential operators. Moreover, a characterisation of chaos for these C0-semigroups is attained. All these results are achieved on spaces of p-integrable functions as well as on spaces of continuous functions and illustrated by various concrete examples.
Benzodiazepine und Neuroleptika werden in der klinischen Praxis effektiv in der Behandlung verschiedener Angststörungen eingesetzt. Trotz ihrer weiten Verbreitung wurden ihre Effekte auf die physiologische Komponente (v. a. die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden Achse (HHNA) und das sympatho-adrenomedulläre System (SAM)) der Stress- und Angstreaktion bisher allerdings wenig gut untersucht. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es deshalb, die Effekte zweier prominenter anxiolytischer Substanzen, Alprazolam (Benzodiazepin) und Flupentixol (Neuroleptikum), auf die Aktivierung der HHNA und des SAM durch einen reinen psychogenen Stressor, den Trier Sozial Stress Test (TSST), zu untersuchen. Studienteilnehmer waren 69 junge, gesunde Männer, die eine bzw. drei Stunden vor dem TSST entweder 1mg Alprazolam, 0.5mg Flupentixol oder ein entsprechendes Placebo-Präparat oral einnahmen. Vor und nach dem TSST wurden verschiedene Blut- und Speichelproben zur Bestimmung von ACTH, Cortisol, Noradrenalin, Adrenalin, Prolaktin und Wachstumshormon entnommen, zudem wurden Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur erfasst. Über Fragebögen bewerteten die Probanden ihr aktuelles psychisches Wohlbefinden. Nach der Einnahme von Alprazolam war eine deutlich verminderte Aktivierung der HHNA in Reaktion auf den TSST zu beobachten, während Parameter des SAM unbeeinflusst blieben. Auf den entsprechenden Fragebogenskalen schätzten sich die Probanden nach Alprazolam- im Vergleich zur Placebo-Einnahme deutlich müder ein, zudem zeigten sich stimmungsstabilisierende Eigenschaften von Alprazolam, da Probanden nach Alprazolam-Einnahme eine geringere Beeinträchtigung der guten Stimmung durch den TSST erlebten. Nach der Einnahme von Flupentixol vor dem TSST unterschieden sich die Probanden in keinem der erhobenen Parameter signifikant von der Placebo-Kontrollgruppe, lediglich die Blutkonzentrationen der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin waren signifikant erhöht. Diese Daten verdeutlichen rasch einsetzende und auf die verschiedenen Komponenten der Stressreaktion differentiell wirkende Effekte von Alprazolam, während Effekte von Flupentixol auf die physiologischen Komponenten der Stressreaktion möglicherweise erst nach längerer Einnahme zu beobachten sind.
Der Schlaganfall zählt zur dritthäufigsten Todesursache in Deutschland und stellt die meist verbreitete lebensbedrohliche neurologische Störung dar. Studien zur Prävalenz emotional-motivationaler Veränderungen verdeutlichen, dass ein Schlaganfall das Risiko für die Entwicklung affektiver Erkrankungen erhöhen kann. Oft kommt es bei diesen Patienten zu Veränderungen in der autonom-nervösen und neuroendokrinen Regulation, in körperlichen Systemen der Stressabwehr also, die ebenfalls mit emotionalen Prozessen in Beziehung stehen. Bisher ist noch nicht abschließend geklärt, ob Veränderungen des Affekts primär eine biologische Folge der Hirnschädigung darstellen oder vielmehr als psychologische Reaktion auf das Krankheitsereignis Schlaganfall interpretiert werden müssen. Die vorliegende Untersuchung ging der Frage nach, inwiefern bei Patienten in der stationären Rehabilitation Veränderungen im Antrieb und Affekt auftreten und ob diese eher mit pathoanatomischen Faktoren (Lateralität und intrahemishärische Lokalisation der Hirnschädigung) oder mit psychologischen Einflussgrößen zusammenhängen (z.B. Persönlichkeitsfaktoren, demographische Variablen, funktioneller Status). Eine zweite Fragestellung beschäftigte sich mit Veränderungen in der zerebralen Kontrolle von körperlichen Systemen zur Stressregulation, des Autonomen Nervensystems und der hypothalamisch-hypophysären Nebennierenrindenachse (HPA-Achse), dessen primärer Effektor das "Stresshormon" Cortisol ist. Abschließend wurde die Kovariation von Veränderungen im subjektiv erlebten Affekt und in vegetativen Funktionen untersucht, um die Annahme zu prüfen, inwieweit veränderte autonom-nervöse und neuroendokrine Reaktionsmuster als ein Bindeglied zwischen der hirnorganischen Schädigung und Veränderungen des affektiven Erlebens und Verhaltens der Patienten fungieren könnten. Methodik. In einem Zeitraum von 15 Monaten wurden 33 Patienten mit einem erstmaligen, unilateralen Infarkt ischämischer Genese (linksseitiger Infarkt: N = 18, rechtsseitiger Infarkt: N = 15) sowie eine Gruppe von 30 gesunden, im Alter und Geschlecht vergleichbaren Kontrollpersonen untersucht. Neben der Analyse von Merkmalen der Hirnschädigung wurden Symptome von Angst, Depressivität und Apathie anhand verschiedener Instrumente zur Selbst- und Fremdeinschätzung erfasst. Zusätzlich wurde die dispositionelle Stressreaktivität und Alexithymie untersucht. Neben verschiedenen neuropsychologischen Kontrollvariablen wurde der funktionelle Status der Patienten zu Beginn und zum Ende der Rehabilitation erfasst. Autonom-nervöse und neuroendokrine Parameter wurden in einer experimentellen Untersuchung unter Stimulation mit einem moderaten kognitiven Stressor erhoben; die basale Aktivität der HPA-Achse wurde morgens an drei aufeinander folgenden Tagen ermittelt. Ergebnisse. Die affektive Belastung der Patientengruppe war im Vergleich zur Kontrollgruppe erhöht, lag jedoch im subklinischen Bereich. Während der Einfluss pathoanatomischer Faktoren gering ausfiel, zeichneten sich Patienten mit stärkeren affektiven Symptomen durch eine erhöhte Stressreaktivität und Alexithymie, sowie einen stark erhöhten Anteil des weiblichen Geschlechts aus. Die Zusammenhänge traten relativ unspezifisch für alle Symptombereiche des Affekts und Antriebs auf. Patienten mit rechtsseitigen Infarkten zeichneten sich im Vergleich zur Kontrollgruppe durch eine reduzierte Reaktivität und Residualaktivierung in der elektrodermalen Aktivität und eine reduzierte phasische Cortisolreaktion auf den mentalen Stressor aus, während für die Herzratenvariabilität nach Kontrolle medizinischer Störvariablen keine Gruppenunterschiede beobachtbar waren. Patienten mit linksseitigen Infarkten wiesen hingegen eine höhere tonische Aktivierung der HPA-Achse auf als die Kontrollgruppe. Differentielle Aufmerksamkeitsleistungen erwiesen sich als bedeutsame Moderatorvariablen der vegetativen Reaktivität. Die Kovariation zwischen Affekt und vegetativen Maßen konnte nicht unabhängig von personengebundenen Störvariablen beurteilt werden. Diskussion. Bezüglich des integrativen psychobiologischen Modells der Affektveränderung dominierten in dieser Stichprobe mit moderaten Affektbelastungen psychologische Einflussgrößen, wobei einer Generalisierung dieser Ergebnisse auf andere Patientenkollektive mit schwereren Symptomausprägungen Grenzen gesetzt sind. Eine Reduktion der vegetativen Reaktivität stand hingegen im Zusammenhang mit pathoanatomischen Variablen. In Anbetracht der lateralisierten zerebralen Kontrolle körperlicher Vitalfunktion sind Folgeuntersuchungen notwendig, die die Relevanz rechtshemisphärischer Läsionen für den Krankheitsverlauf längsschnittlich untersuchen. Möglichkeiten der Nutzung von kritischen Vulnerabilitätsfaktoren für die Identifikation von Risikoprofilen und zur Optimierung von Behandlungsprozessen werden diskutiert.
An der Schnittstelle zwischen Recht und Sprache, zwischen der überdachenden Weingesetzgebung der Europäischen Union und dem von den Mitgliedstaaten gesetztem Recht liegt das Recht der Weinbezeichnungen. Hier wie an kaum einer anderen Stelle kommt der Verbraucher mit beiden in Berührung und verliert sich nicht selten im Dschungel der zahllos scheinenden Begriffe in unterschiedlichen Sprachen, die ihn in Gestalt des Flaschenetiketts doch über Herkunft und Qualität des Weins unterrichten und so seine Kaufentscheidung erleichtern sollen. An dieser Stelle setzt die Dissertation an, um unter vergleichender Berücksichtigung der in den Einzelsprachen verwendeten Begriffe und Bezeichnungen das komplex und kunstvoll gewobene Netz zu durchdringen. Als romanistische Arbeit von den vier großen Sprachen der Romania ausgehend, wird zunächst das Weinrecht insgesamt von Frankreich, Italien, Portugal und Spanien dar- und demjenigen Deutschlands gegenübergestellt, wobei jeweils auch der Bezug zum europäischen Weinrecht, insbesondere EG-Weinmarktordnung als Grundverordnung und EG-Weinbezeichnungsverordnung als Durchführungsverordnung, hergestellt wird. Dessen Geschichte und diejenige der nationalen Weinrechtsordnungen werden ausführlich dargestellt. In einem nächsten, den Kern der Arbeit ausmachenden Schritt verengt sich der Fokus auf das Bezeichnungsrecht der Weine als solche, um nach Gewinnung der maßgeblichen Begriffe zu überprüfen, inwieweit diese in Bezug auf ihren Bedeutungsgehalt als gleichwertig anzusehen, also semantisch äquivalent sind. Die Blickrichtung ist auch hier bidirektional und umschließt neben dem Vergleich der europäischen und der nationalen Begriffe auf horizontaler Ebene die Gegenüberstellung beider Systeme in vertikaler Sicht. Ein Blick auf sonstige, nicht obligatorische Angaben, wie etwa die wichtigsten Rebsortennamen, rundet die Untersuchung ab, wobei diese und ihre so genannten Synonyme kritisch hinterfragt werden.
Aus dem Spektrum dadaistischer Kunst greift die Arbeit den Teilaspekt Masken und Puppen heraus und behandelt sie im Hinblick auf primitivistische und performative Intentionen. Angesprochen sind die Aufhebung von nationalen, künstlerischen und personalen Grenzen, die Permissivität kultureller Systeme, die Dynamik und Medialität von Kunst sowie Interaktionsprozesse von Künstlern und Rezipienten. Der gewählte Ansatz fasst die Puppen und Masken des Dada Zürich unter den Begriff des "Agenten": Sie waren plastische Objekte, die aufgeführt wurden und sich selbst aufführten, die nicht nur "performative" (Handlungen vollziehende), sondern "performatorische" (Handlungen provozierende) Funktionen hatten. Sie waren in der Lage, Kräfteverhältnisse von Künstlern, Werken und Betrachtern zu erzeugen und zu beeinflussen. Sie stehen außerdem für die objektgewordene Auseinandersetzung mit Fragen von Alterität und Genderstereotypen. Alterität bezeichnet im Dada nicht nur die labile Beziehung zwischen Individuen und ihren Repräsentationen, sondern auch die performative Relation von Künstlern und Objekten, von Künstlern und Rollenbildern und von Künstlern zueinander. Das Künstlersubjekt wird ebenso wie seine Objekt-Beziehung als wandelbar erfahren und das Konzept von Autorschaft in einem System des "Geschehenlassens" aufgehoben.
Die Arbeit befasst sich mit der malerischen Darstellung von Sibyllen im Italien des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts. Die Sibyllen sind ursprünglich heidnisch-antike Prophetinnen, finden aber später einen Platz innerhalb des christlichen Heilsgeschehens. Seit dem fünfzehnten Jahrhundert häuft sich ihre bildliche Darstellung in Italien und erlebt bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts einen Höhepunkt in der Freskomalerei, wobei meistens mehrere Sibyllen in einem zyklischen Zusammenhang auftreten. Zu Beginn des Seicento erscheint die Prophetin unvermittelt als Einzelfigur in der Bologneser Tafelbildmalerei, namentlich in Werken von Guercino und Domenichino. Verschiedene Aspekte dieses auffälligen Wechsels sowohl des Mediums als auch der Anzahl der Figuren in der sibyllinischen Darstellung werden untersucht. Ausgegangen wird dabei von einem letzten großen Freskenzyklus des sechzehnten Jahrhunderts, dem des Oratorio del Gonfalone in Rom, welcher bereits wissenschaftlich bearbeitet wurde. Insofern konnte auf fundiertes Material zurückgegriffen werden, um sich intensiver auf die inhaltliche Problematik der Sibyllendarstellungen zu konzentrieren, welche bisher vernachlässigt wurde. Die bislang von der Kunstgeschichte angewandten Methoden " namentliche Identifikation der einzelnen Sibyllen, Spekulation über die variable Anzahl der dargestellten Figuren und Interpretation der von ihr verkündeten Worte " werden dabei als verfehlt entlarvt. Stattdessen wird ein neuer, tiefergehender Ansatz vorgeschlagen, der dem allgemeinen Bedeutungsgehalt der Prophetin und dem Gesamtzusammenhang des Bilderzyklus, in welchem sie erscheint, Rechnung trägt und sinnvolle Ergebnisse zeitigt. Im Fall des Oratorio del Gonfalone wird so der Bezug der Sibylle zum Goldenen Zeitalter, der Eucharistie und dem Heiligen Grab analysiert. Dieser Versuch, das Verständnis der Sibylle über ihre bloße Rolle als prophetische Verkünderin zukünftiger Ereignisse auszuweiten, erscheint ebenso angemessen und tatsächlich notwendig hinsichtlich der Tafelbilder des siebzehnten Jahrhunderts, in welchen die Figur als isolierte Halbfigur in porträtähnlicher Manier auftaucht. Die Bedeutung dieser Figuren ist nicht mehr in einem übergeordneten Zusammenhang zu suchen, sondern muss sich aus den Ideen und Vorstellungen zum "sibyllinischen Charakter" erklären. Zwei besonders eminente Merkmale werden untersucht: die sibyllinische Melancholie und die reuige Buße der Figur. Durch die Betrachtung der für die Arbeit ausgewählten Bildbeispiele ergibt sich schließlich eine weitere Entdeckung: Die grobe Einteilung in Fresken vor und Tafelbilder nach 1700 wird genauer fassbar. Die Fresken zeigen einerseits Sibyllen, deren körperliche Präsenz im Bild stark hervorgehoben wird, während andernorts die mimetische Darstellung der Figuren zugunsten einer Betonung der beigefügten Orakeltexte deutlich vernachlässigt wird. So schälen sich schließlich nicht zwei, sondern drei verschiedene Arten bildlicher Sibyllendarstellung heraus, welche in der Arbeit erstmals präzise beschrieben und in ihren wichtigsten Teilaspekten interpretiert werden.