Kunstgeschichte
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Kunst wird in erster Linie mittels ihrer Reproduktionen rezipiert " auch und gerade von der Kunstgeschichte. Dennoch würdigt die Wissenschaft sie nur selten einiger Aufmerksamkeit " und wenn doch, werden die Reproduktionen gegenüber den Originalen zumeist abgewertet. Die Dissertation setzt sich mit diesem eigentümlichen Verhältnis in dreifacher Hinsicht auseinander: Sie versteht sich als Skizze einer noch ungeschriebenen Geschichte der Kunstreproduktion, untersucht, wie die Industrialisierung der Bildproduktion um 1800 zur Konstitution der universitären Disziplin Kunstgeschichte beitrug und diskutiert schliesslich exemplarisch, dass die geringe Aufmerksamkeit der Kunstgeschichte für ihr Material kein unglücklicher Zufall, sondern grundlegend für die Disziplin ist.
Aus dem Spektrum dadaistischer Kunst greift die Arbeit den Teilaspekt Masken und Puppen heraus und behandelt sie im Hinblick auf primitivistische und performative Intentionen. Angesprochen sind die Aufhebung von nationalen, künstlerischen und personalen Grenzen, die Permissivität kultureller Systeme, die Dynamik und Medialität von Kunst sowie Interaktionsprozesse von Künstlern und Rezipienten. Der gewählte Ansatz fasst die Puppen und Masken des Dada Zürich unter den Begriff des "Agenten": Sie waren plastische Objekte, die aufgeführt wurden und sich selbst aufführten, die nicht nur "performative" (Handlungen vollziehende), sondern "performatorische" (Handlungen provozierende) Funktionen hatten. Sie waren in der Lage, Kräfteverhältnisse von Künstlern, Werken und Betrachtern zu erzeugen und zu beeinflussen. Sie stehen außerdem für die objektgewordene Auseinandersetzung mit Fragen von Alterität und Genderstereotypen. Alterität bezeichnet im Dada nicht nur die labile Beziehung zwischen Individuen und ihren Repräsentationen, sondern auch die performative Relation von Künstlern und Objekten, von Künstlern und Rollenbildern und von Künstlern zueinander. Das Künstlersubjekt wird ebenso wie seine Objekt-Beziehung als wandelbar erfahren und das Konzept von Autorschaft in einem System des "Geschehenlassens" aufgehoben.
Die Arbeit befasst sich mit der malerischen Darstellung von Sibyllen im Italien des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts. Die Sibyllen sind ursprünglich heidnisch-antike Prophetinnen, finden aber später einen Platz innerhalb des christlichen Heilsgeschehens. Seit dem fünfzehnten Jahrhundert häuft sich ihre bildliche Darstellung in Italien und erlebt bis zum Ende des sechzehnten Jahrhunderts einen Höhepunkt in der Freskomalerei, wobei meistens mehrere Sibyllen in einem zyklischen Zusammenhang auftreten. Zu Beginn des Seicento erscheint die Prophetin unvermittelt als Einzelfigur in der Bologneser Tafelbildmalerei, namentlich in Werken von Guercino und Domenichino. Verschiedene Aspekte dieses auffälligen Wechsels sowohl des Mediums als auch der Anzahl der Figuren in der sibyllinischen Darstellung werden untersucht. Ausgegangen wird dabei von einem letzten großen Freskenzyklus des sechzehnten Jahrhunderts, dem des Oratorio del Gonfalone in Rom, welcher bereits wissenschaftlich bearbeitet wurde. Insofern konnte auf fundiertes Material zurückgegriffen werden, um sich intensiver auf die inhaltliche Problematik der Sibyllendarstellungen zu konzentrieren, welche bisher vernachlässigt wurde. Die bislang von der Kunstgeschichte angewandten Methoden " namentliche Identifikation der einzelnen Sibyllen, Spekulation über die variable Anzahl der dargestellten Figuren und Interpretation der von ihr verkündeten Worte " werden dabei als verfehlt entlarvt. Stattdessen wird ein neuer, tiefergehender Ansatz vorgeschlagen, der dem allgemeinen Bedeutungsgehalt der Prophetin und dem Gesamtzusammenhang des Bilderzyklus, in welchem sie erscheint, Rechnung trägt und sinnvolle Ergebnisse zeitigt. Im Fall des Oratorio del Gonfalone wird so der Bezug der Sibylle zum Goldenen Zeitalter, der Eucharistie und dem Heiligen Grab analysiert. Dieser Versuch, das Verständnis der Sibylle über ihre bloße Rolle als prophetische Verkünderin zukünftiger Ereignisse auszuweiten, erscheint ebenso angemessen und tatsächlich notwendig hinsichtlich der Tafelbilder des siebzehnten Jahrhunderts, in welchen die Figur als isolierte Halbfigur in porträtähnlicher Manier auftaucht. Die Bedeutung dieser Figuren ist nicht mehr in einem übergeordneten Zusammenhang zu suchen, sondern muss sich aus den Ideen und Vorstellungen zum "sibyllinischen Charakter" erklären. Zwei besonders eminente Merkmale werden untersucht: die sibyllinische Melancholie und die reuige Buße der Figur. Durch die Betrachtung der für die Arbeit ausgewählten Bildbeispiele ergibt sich schließlich eine weitere Entdeckung: Die grobe Einteilung in Fresken vor und Tafelbilder nach 1700 wird genauer fassbar. Die Fresken zeigen einerseits Sibyllen, deren körperliche Präsenz im Bild stark hervorgehoben wird, während andernorts die mimetische Darstellung der Figuren zugunsten einer Betonung der beigefügten Orakeltexte deutlich vernachlässigt wird. So schälen sich schließlich nicht zwei, sondern drei verschiedene Arten bildlicher Sibyllendarstellung heraus, welche in der Arbeit erstmals präzise beschrieben und in ihren wichtigsten Teilaspekten interpretiert werden.