Die Polargebiete sind geprägt von harschen Umweltbedingungen mit extrem kalten Temperaturen und Winden. Besonders während der polaren Nacht werden Temperaturen von bis zu -89.2°C}$ auf dem Antarktischen Plateau beobachtet. Infolge der starken Abkühlung beginnt das Ozeanwasser zu gefrieren und die Eisproduktion beginnt. Der Antarktische Ozean ist dabei von einer ausgeprägten zwischen- und innerjährlichen Variabilität geprägt und die Eisbedeckung variiert zwischen 2.07 * 10^6 km^2 im Sommer und 20.14 * 10^6 km^2 im Winter. Die Eisproduktion und Eisschmelze beeinflussen die atmosphärische und ozeanische Zirkulation. Dynamische Prozesse führen zur Bildung von Rissen im Eis und letztlich zum Entstehen von Eisrinnen (leads). Leads sind langgestreckte Risse die mindestens einige Meter breit und hunderte Meter bis hunderte Kilometer lang sein können. In diesen Eisrinnen ist das warme Ozeanwasser in Kontakt mit der kalten Atmosphäre, wodurch die Austauschraten fühlbarer und latenter Wärme, Feuchtigkeit und von Gasen stark erhöht sind. Eisrinnen tragen zur Eisproduktion in den Polargebieten bei und sind Habitat für zahlreiche Tiere. Eisrinnen, zentraler Bestandteil der präsentierten Studie, sind bis heute nur unzureichend im Südpolarmeer erforscht und beobachtet. Daher ist es Ziel einen Algorithmus zu entwickeln, um Eisrinnen in Fernerkundungsdaten automatisiert zu identifizieren. Dabei kommen thermal-Infrarot Satellitendaten des Moderate-Resolution Imaging Spectroradiometer (MODIS) zum Einsatz, welches auf den beiden Satelliten Aqua und Terra montiert ist und seit 2000 (Terra) bzw. 2002 (Aqua) Satellitenbilder bereitstellt. Die einzelnen Satellitenbilder beinhalten die Eisoberflächentemperatur des MOD/MYD 29 Produktes, welche in einem zweistufigen Algorithmus für den Zeitraum April bis September 2003 bis 2019 prozessiert werden.
Im ersten Schritt werden potentielle Eisrinnen anhand der lokalen positiven Temperaturanomalie identifiziert. Aufgrund von Artefakten werden weitere temperatur- und texturbasierte Parameter abgeleitet und zu täglichen Kompositen zusammengefügt. Diese werden in der zweiten Prozessierungsstufe verwendet, um Wolkenartefakte von echten Eisrinnen-Observationen zu trennen. Hier wird Fuzzy Logic genutzt und eine Antarktis-spezifische Konfiguration wird definiert. In diesem werden ausgewählte Eingabedaten aus dem ersten Prozessierungslevel genutzt, um einen finalen Proxy, den Lead Score (LS), zu berechnen. Der LS wird abschließend mittels manueller Qualitätskontrolle in eine Unsicherheit überführt. Die darüber identifizierten Artefakte können so zusätzlich zur MODIS-Wolkenmaske genutzt werden.
Auf Basis der Eisrinnenbeobachtungen wird ein klimatologischer Referenzdatensatz erstellt, der die repräsentative Eisrinnenverteilung im Antarktischen Ozean für die Wintermonate April bis September, 2003 bis 2019 zeigt. In diesem ist sichtbar, dass Eisrinnen in manchen Gegenden systematischer auftreten als in anderen. Das sind vor allem die Regionen entlang der Küstenregion, des kontinentalen Schelfabhangs und einigen Erhebungen und Kanälen in der Tiefsee. Dabei sind die erhöhten Frequenzen entlang des Schelfabhangs besonders interessant und der Einfluss von atmosphärischen und ozeanischen Einflüssen wird untersucht. Ein regionales Eis-Ozeanmodell wird genutzt, um ozeanische Einflüsse in Zusammenhang mit erhöhten Eisrinnenfrequenzen zu setzen.
In der vorliegenden Studie wird außerdem ein umfangreicher Überblick über die großskalige Variabilität von Antarktischem Meereis gegeben. Tägliche Eiskonzentrationsdaten, abgeleitet aus passiven Mikrowellendaten, werden aus dem Zeitraum 1979 bis 2018 für die Klassifikation genutzt. Der dk-means Algorithmus wird verwendet, um zehn repräsentative Eisklassen zu identifizieren. Die geographische Verteilung dieser Klassen wird als Karte dargestellt, in der der typische jährliche Eiszyklus je Klasse sichtbar ist.
Veränderungen in dem räumlichen Auftreten von Eisklassen werden identifiziert und qualitativ interpretiert. Positive Abweichungen hin zu höheren Eisklassen werden im Weddell- und dem Ross-Meer und einigen Regionen in der Ostantarktis identifiziert. Negative Abweichungen sind im Amundsen-Bellingshausen-Meer vorhanden. Der neu entwickelte (Climatological Sea Ice Anomaly Index) wird genutzt, um Klassenabweichungen in der Zeitreihe zu identifizieren. Damit werden drei Jahre (1986, 2007, 2014) für eine Fallstudie ausgewählt und in Relation zu atmosphärischen Daten aus ERA-Interim und Eisdrift-Daten untersucht. Für die beiden Jahre 1986 und 2007 können bestimmte atmosphärische Zirkulationsmuster identifiziert werden, die die entsprechende Eisklassifikation beeinflusst haben. Für das Jahr 2014 können keine besonders ausgeprägten atmosphärischen Anomalien ausgemacht werden.
Der Eisklassen-Datensatz kann in Zukunft als Ergänzung zu vorhandenen Studien und für die Validierung von Meereismodellen genutzt werden. Dabei sind vor allem Anwendungen in Bezug auf den Eisrinnen-Datensatz möglich.
Die polare Kryosphäre stellt einen Schlüsselfaktor für die Erforschung des Klimawandels dar. Insbesondere das Meereis und seine Schneebedeckung, die sich durch eine äußerst hohe und Zeitskalen-übergreifende Sensitivität gegenüber atmosphärischen Einflüssen auszeichnen, können als diagnostische Parameter für die Abschätzung von Veränderungen im Klimasystem herangezogen werden. Die komplexen Rückkopplungsmechanismen, durch die das Meereis mit der globalen Zirkulation der Atmosphäre und des Ozeans in Wechselwirkung steht, werden durch eine zusätzliche Schneeauflage deutlich verstärkt. Insofern tragen die saisonalen Veränderungen der physikalischen Eigenschaften des Schnees, und insbesondere der Beginn der Schneeschmelze, massgeblich zur lokalen und regionalen Energiebilanz sowie zur Meereismassenbilanz bei. In dieser Arbeit wird nun erstmals auf der Basis langjähriger Daten der satellitengestützten Mikrowellenfernerkundung, in Kombination mit Feldmessungen aus dem Weddellmeer während des Sommers 2004/2005, die Charakteristik der sommerlichen Schmelzperiode auf antarktischem Meereis untersucht. Die sommertypischen Prozesse zeichnen sich hier durch deutliche Unterschiede im Vergleich zu arktischem Meereis aus. Wie die Messungen vor Ort zeigen, kommt es während des antarktischen Sommers nicht zu einem kompletten Abschmelzen des Schnees. Vielmehr dominieren ausgeprägte Schmelz-Gefrier-Zyklen im Tagesgang, die eine Abrundung und Vergrösserung der Schneekristalle sowie die Bildung interner Eisschichten verursachen. Dies führt radiometrisch zu Mikrowellensignalen, deren Erfassung im Vergleich zu bestehenden Schmelzerkennungs-Methoden neue Ansätze erfordert. Durch den Vergleich von zeitlich hoch aufgelösten in-situ Messungen der physikalischen Schneeeigenschaften mit parallel dazu erfassten Satellitendaten, sowie durch eine Modellierung der mikrowellenradiometrischen Eigenschaften der Schneeauflage, konnte ein neuer Indikator entwickelt werden, über den das Einsetzen der typischen sommerlichen Schmelzperiode auf antarktischem Meereis identifiziert werden kann. Der DTBA-Indikator beschreibt die Tagesschwankung der radiometrischen Eigenschaften des Schnees und zeichnet sich durch ein Werteverhalten aus, das eine eindeutige Hervorhebung der Sommerphase innerhalb eines saisonalen Zyklus erkennen lässt. Der Indikator wurde verwendet, um mittels des neu entwickelten Schwellwertalgorithmus MeDeA das Einsetzen der sommerlichen Schmelzperiode für das gesamte antarktische Meereisgebiet zu bestimmen. Durch die Anwendung der neuen Methode auf die langjährigen Reihen der Satellitenmessungen konnte ein umfassender Datensatz erstellt werden, der für den Zeitraum von 1988 bis 2006 die räumliche und zeitliche Variabilität des Einsetzens der sommerlichen Schmelzperiode auf antarktischem Meereis beinhaltet. Die Ergebnisse zeigen, dass im Untersuchungszeitraum keine signifikanten Trends im Beginn des Schmelzens der Schneeauflage festzustellen sind, und dass das Schmelzen im Vergleich zur Arktis deutlich schwächer ausgeprägt ist. Eine Untersuchung der atmosphärischen Antriebe durch die Auswertung meteorologischer Reanalysen zeigt den grundlegenden Einfluss der zirkumpolaren Strömungsmuster auf die interannualen Schwankungen des Einsetzens und der Stärke der sommerlichen Schneeschmelze.